Schlagwort-Archive: Rausch

Alkohol [*.txt]

Kult, wird in meiner Generation gerne auf Parties gespielt. Und alle grölen begeistert spätestens beim Refrain mit. Habt ihr schon mal genau dem Wortlaut gelauscht? Wie hat Herbert Grönemeyer Alkohol und seine Wirkung so treffend beschrieben:

„Wir haben wieder die Nacht zum Tag gemacht. Ich nehm‘ mein Frühstück abends um acht. Gedanken fließen zäh wie Kaugummi. Mein Kopf ist schwer wie Blei, mir zittern die Knie. Gelallte Schwüre in rotblauem Licht, vierzigprozentiges Gleichgewicht, graue Zellen in weicher Explosion – Sonnenaufgangs- und Untergangsvision. Was ist denn los, was ist passiert? Ich hab‘ bloß meine Nerven massiert. 

Die Nobelszene träumt von Kokain Und auf dem Schulklo riecht’s nach Gras. Der Apotheker nimmt Valium und Speed und wenn es dunkel wird, greifen sie zum Glas. Was ist denn los, was ist passiert? Ich hab‘ bloß meine Nerven massiert. Alkohol ist dein Sanitäter in der Not. Alkohol ist dein Fallschirm und dein Rettungsboot. Alkohol ist das Drahtseil, auf dem du stehst. Alkohol ist das Schiff mit dem du untergehst …“

In meinem Fall kann ich selten über Sanitäter oder Fallschirmerlebnisse berichten, für mich ist es eher der Drahtseilakt bzw. das untergehende Schiff, habe noch nie erlebt, dass ich meine Nerven massieren wollte. Und ich hasse den Tag danach: ehrlich gesagt, mir schmeckt eigentlich kein alkoholisches Getränk. Wenn ich trinke, dann hauptsächlich, um es der Gemeinschaft um mich rum einfacher zu machen. Damit sie nicht immer Fragen stellen und sich Sorgen machen müssen. Selten aus echtem Genuss. Ja, ich Vertrag auch nichts, bin schnell angesäuselt. Wobei: da gibt’s auch Abende, da kann ich trinken in Massen – und spüre nichts. Tagesform eben. 

Ich brauch ihn nicht, den Alkohol, weder zur Betäubung noch für das schale Gefühl nach so einem Rausch. Nein, nicht wirklich.

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Beitrag zum Schreib-Projekt [*.txt], das vierte Wort lautet „Alkohol„.

Dankbarkeit für 19 Jahre

19 Jahre sind es geworden. 19 Jahre, in denen mein Onkel mit einem transplantierten Herzen weiterleben durfte. Er war ein netter, ein lustiger Kerl. Der aber über viele Jahre nicht an Gesundheit gedacht hat. Im Gegenteil, gerade als Jungvermählte waren er und meine Tante wohl im Dauerrausch, und das hat jetzt nicht so arg viel mit dem Glücksrausch des Frischverliebtseins zu tun: Bier, Schnaps, und gerne viel davon. 

Als Kind hab ich davon nicht viel mitbekommen, meine Erinnerungen gehen eher in Richtung seiner politischen Reden. Alle waren sie Deppen, die Politiker. Selber aktiv werden, um Dinge zu bewegen? „Bin i bled, na, i möcht mei Ruah!“ Über weniger politische Themen konnte man sich gut mit ihm unterhalten, eigentlich wollte er nur sein Leben und immer wieder eine Halbe Bier in Ruhe genießen, gut essen, mit ihm angenehmen Menschen zusammensein, dann ging’s ihm gut. 

Vor rund 20 Jahren dann die schockierende Diagnose: sein Herz machts nicht mehr lange. Er hatte großes Glück, wurde auf der Liste der Spenderherzen hoch priorisiert und im März 1997 wurde ihm ein neues Herz transplantiert. Das fast zwei Jahrzehnte tapfer weiterschlug. Ja, in den letzten Jahren kamen anfangs eher kleine Einschränkungen in den Alltag, die anderen Organe haben immer wieder Probleme gemacht. Dialyse, immer wieder Klinikaufenthalte, vor ein paar Monaten hatten ihn die Ärzte bereits aufgegeben, er konnte sogar noch mal nach Hause. 

Vorletzte Woche dann erneut die Einweisung ins Krankenhaus, einen kleinen Eingriff hatte er erneut gut überstanden. Am Wochenende stellte sich heraus, dass eine weitere OP notwendig sei – er hat sich dagegen entschieden. Gestern konnte sich die engste Familie verabschieden, er ist in der Nacht für immer eingeschlafen.

Ich vermute, dass bei meiner Tante, meiner Cousine und meinem Cousin auch mal Dankbarkeit für die 19 Jahre kommen wird. Durch die Transplantation durfte er seine Enkeltöchter aufwachsen sehen, sie hatten die Chance, ihren Opa kennenzulernen. Aber um das schätzen zu können brauchen alle sicher noch etwas Abstand …

Rausch [*.txt]

Kürzlich, auf dem Oktoberfest: eine Frau tanzt vor uns, ausgelassen, trinkt, tanzt, stellt ihre Maß bei uns ab. Später – sie sagt etwas, keiner versteht, was sie will. Irgendwann kapier ich: sie denkt, sie hat ihre Handtasche bei uns gelassen … Äh, nein. Geld, Schlüssel und Handy drin! Ja, aber wir haben die Handtasche nicht gesehen. Minuten später bittet sie die Musiker um Hilfe, die Tasche wird gefunden. Glücklich strahlt die Besitzerin. Einige Zeit später. Sie trinkt weiter, tanzt, legt die Handtasche achtlos auf dem Nebentisch ab, verschwindet … später kommt sie an viele Tische. Suchend.

Am selben Abend, auf dem Heimweg: ich laufe zur S-Bahn. Vor mir verliert ein Mann sein Handy, es schlittert, bleibt dann in Einzelteilen liegen – er steht vollkommen fassungslos, versucht, alles aufzuheben, immer wieder fällt ein Teil zu Boden. Ich hab ihm schließlich geholfen, alles richtig zusammengesteckt. Nur mit der PIN könnte ich nicht behilflich sein. Weiter auf dem Weg, oben auf der Hackerbrücke quatscht eine Gruppe junger Münner eindringlich auf die Polizisten ein! immer wieder erzählen sie! wie toll sie es finden! hier so gut beschützt zu werden! Kichern! Kneifen sich gegenseitig – und beginnen von vorne. Die Beamten Lächeln, nehmen es mit Gelassenheit. Minuten später steh ich am Bahnsteig und warte auf meine S-Bahn. Nette Mitarbeiter passen auf, dass keiner auf die Gleise stürzt. Ein Paar, das sich mittig stützt, schafft trotzdem beinahe, von der Kante zu fallen … Meine S-Bahn kommt, es geht nach Hause. Hurra, Fahrscheinkontrolle. Ein junger Italiener versucht wortreich und lautstark, zu erklären, dass sein Hotel ihm ein Komplett-Wiesn-Paket verkauft hat. Ganz bestimmt, er muss trotzdem bezahlen – die 4 Kontrolleure suchen weiter. Eine junge Frau hat kein Ticket, sie winkt, kann nicht mehr sprechen. Die Kontrolleure tun sich schwer, denn sie hängt richtig in den Seilen. An meiner Station steigen alle aus, die Frischluft ist zu viel für die Ärmste, sie gibt eine Menge von dem, von sich, wovon sie wohl etwas zu viel hatte …

Statt einem Alkoholrausch nehm ich vom Oktoberfest eigentlich immer rauschhafte Begebenheiten mit nach Hause 😉

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Ein verspäteter Beitrag zu Dominiks [*.txt]-Projekt, das zwölfte Wort lautet „Rausch“.

Impressionen unterwegs vom Oktoberfest

Die Mitarbeiter im öffentlichen Nahverkehr sind zur Wiesn-Zeit innovativ, einfallsreich und beweisen einen umsichtigen Humor. Versteht natürlich nicht jeder, diese bairische Witzigkeit. Trotzdem ist es hochwillkommen, wenn Ansagen Münchner und Besucher aus aller Welt vor allem darüber informieren, dass der Bahnsteig weit länger ist, als die denken, die direkt nach dem Treppenabgang am U-Bahnhof Theresienwiese stehenbleiben… Oder auch mal eine Band bitten, ihre Musikeinlage mindestens um 100 Meter mittig zu verlegen, „die Herren, die auf der Bank eingeschlafen sind, würden sich über schöne Musik als Wecker freuen, wollen schließlich heimkommen, um im eigenen Bett selig den Mordsrausch auszuschlafen“.
Mein Applaus gilt den charmanten Ansagen – wieder mal herrlich untypisch, für die sonst als drecksfad, also entsetzlich langweiligen unkreativen, geltenden Verkehrsbetriebe. Daumen hoch!