Hm, es wäre sonderbar, an dieser Stelle nicht „ja“ zu schreiben – über das Thema Freundschaft habe ich oft geschrieben. Deshalb wollte ich bei den Momentaufnahmen schon fast pausieren …. dann ist mir ein Gedanke eingefallen, den ich die letzten Monate öfter mal kurz angedacht habe. Es gibt so viele unterschiedliche Arten von Freundschaft. Zum Beispiel diejenigen, die von täglichem Kontakt leben. Die in bestimmten Lebenssituationen entstehen, sich durch gemeinsame Aktivitäten, Interessen und vor allem Routinen definieren.
Ich bin so ein Freund, der sehr wohl zu schätzen weiß, wann und wie unsere Freundschaft entstanden ist. Der aber auch Freundschaft auf Distanz kann. Der sich mit entwickeln kann, ohne immer direkt nah dran zu sein. Der auch mal Abstand halten oder auf Abstand gehalten werden kann … und trotzdem Freund bleibt. Beobachtet, fragt, aufnimmt und sich wieder an der Seite oder wo immer er gerade gebraucht wird, positionieren kann.
Ich glaube, dass aktuell klar ist, warum ich das als positive Eigenschaften werte.
Je älter ich werde, desto weniger beeindruckt mich Geld. Ich habe früh gelernt, dass wir als Familie wenig, aber genug hatten, um davon zu leben. Habe mich nicht arm gefühlt, aber immer gewusst, dass wir uns manches nicht leisten konnten. Deshalb hatte ich schon immer Jobs, Zeitung austragen, später war ich die Ferienpostbotin. In den ersten Berufsjahren habe ich wenig verdient, aber auch das hat ausgereicht, um unabhängig zu sein.
Heute sehe ich realistisch, dass man sich nicht alles leisten muss. Dass zu viel Konsum alles andere als glücklich macht. Und genau das, nämlich Glück, Gesundheit, Zufriedenheit … alles nicht mit Geld zu bezahlen. Viel Geld ist nicht gleichzusetzen mit einem zufriedenen Leben, ebenso wenig bedeutet wenig Geld automatisch ein unerfülltes Dasein.
Darüber hab ich auch vor Jahren schon mal sinniert. Ja, ich habe genug. Ich sorge für ein mögliches später vor. Aber viel mehr brauch ich schlicht auch dann nicht. Was mir zunehmend wichtiger wird ist: kann ich etwas entbehren, jetzt etwas abgeben für die, die wenig oder sogar nichts gaben. Und wo ist es für etwas Gutes investiert. Ich würde ungern dazu beitragen, dass sich Menschen auf Kosten jener bereichern, denen man eigentlich etwas Gutes tun möchte … da habe ich erste Möglichkeiten gefunden, die aber noch ausbaufähig sind.
Im Schreibprojekt „Momentaufnahmen“ stellt Aequitas et Veritas die 6. Frage: Handelst du häufiger aus Pflichtgefühl oder aus Überzeugung?
Ich habe darüber vor fast 10 Jahren – wow, ich hätte nie für möglich gehalten, dass ich mein Blogprojekt so lange aktiv betreibe … krass – im Kontext mit meiner Oma, was ich von ihr gelernt habe, wie ich es aber für mich anders umsetze, mal sehr ausführlich reflektiert.
Von meiner heutigen Position aus möchte ich noch eines hinzufügen: ich habe 2018 geschafft, aus Überzeugung gegen jegliches Pflichtgefühl zu handeln. Mich und meine Gesundheit ganz in den Mittelpunkt gestellt, bin aus dem Stress ausgestiegen, habe es tatsächlich fast ein Jahr durchgezogen. Das war entgegen allem, was ich vorher für mich definiert hätte. Da war definitiv immer wieder der Gedanke an das Pflichtgefühl, aber eine ganz starke Überzeugung in mir hat mich angetrieben.
Davon profitiere ich seitdem häufig, denn meine Erkenntnis im Nachhinein war: So vieles, was wir heute als elementar für uns und unsere Existenz definieren, spielt schon sehr bald überhaupt keine Rolle mehr.
Und ich möchte das auch gerne auf meine Sicht der aktuellen Dinge übertragen: aktuell halten sich viele aus Pflichtgefühl und Verantwortungsbewusstsein an die geltenden Regeln, durch die langsam keiner mehr durchblickt. Ich tue es aus Überzeugung. Sicher durch meine Lebensgeschichte. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, wieso ist so schlecht mit anderen Überzeugungen klarkomme, weil ich tatsächlich – aus meiner Überzeugung und dem, was ich als gesunden Menschenverstand definiere – nicht fassen kann, dass es Menschen gibt, die all dieses Schwurbeln für bare Münze nehmen, daran mehr glauben, als an die potentiell tödliche Konsequenz eines Virus. Und immer wieder mit der Grippe argumentieren, die ich einmal hatte und wenn es nach mir geht nie wieder …
Im Mitmachprojekt stellt Aequitas et Veritas die zweite Frage: Wie gehst du mit Scheitern um – deinem eigenen und dem von anderen?
Spannend, denn durch die Frage wird implizit bereits die Definition von Scheitern mit etwas Negativem assoziiert? Und da fühle ich mich doch gleich doppelt herausgefordert, herauszufinden, ob es auch eine andere Betrachtungsweise für den Begriff Scheitern gibt. Sucht man also nach dem schwachen Verb scheitern, dann bekommt man als Bedeutungen:
1. ein angestrebtes Ziel, einen Plan o. Ä. nicht erreichen
2. keinen Erfolg haben
3. misslingen, missglücken, fehlschlagen
Sucht man weiter, kommt es zu einer Herkunft bzw. einer Herleitung des Wortes aus dem 17. Jahrhundert: aus „zerscheitern“, also in Stücke (Scheite bzw. Scheiter) gehen. Und daraus leite ich jetzt einfach mal ab, dass für mich Scheitern nicht ausschließlich negativ zu verstehen ist, Teile klappen. Vielleicht ist das auch schon ein Teil der Antwort: ich suche immer nach positiven Aspekten …
Das kann ich besonders gut, wenn für einen anderen etwas nicht ganz so klappt, wie er es sich gewünscht hat. Oder wie andere es von ihm erwartet haben. In dem Kontext gelingt es mir spielend, so viele positive Aspekte herauszufinden, dass sie das, was nicht geklappt hat, locker überwiegen.
Wenn ich etwas von einem anderen erwartet habe und das scheitert? Kommt es drauf an. Da fällt es mir unter Umständen nicht ganz so leicht, die positiven Aspekte herauszufinden. Aber ich gebe mir auf alle Fälle Mühe. Auch dann, wenn das Gegenüber möglicherweise zu viel versprochen hat …
Wenn jemand eine Erwartung an mich formuliert, die ich nicht erfüllen kann – kommt drauf an. Wenn ich es mir selbst zutraue und ich schaffe es nicht, dann nehme ich das so, bemühe mich trotzdem, um zumindest so viel möglich hinzubekommen. Wenn ich es von vornherein so einschätze dass ich es nicht oder nicht zu 100 Prozent kann, dann kommuniziere ich das auch entsprechend. Das empfinde ich nicht als Scheitern.
Ja, wenn ich mir ein Ziel setze – was nicht oft vorkommt, da ich nicht so viel plane – und das klappt nicht? Dann denke ich drüber nach, warum es misslungen ist. Und mache für ein mögliches nächstes Mal tatsächlich einen Plan. An den ich mich dann hoffentlich im Fall der Fälle erinnere. Denn einen Fehler zwei mal machen? Das empfinde ich wohl als Scheitern im wörtlichen Sinn.