Montag vor einer Woche hab ich ihn das erste Mal bemerkt: ein junger Typ, irgendwie ungepflegt. Lief zum Supermarkt. Es wirkte, als würde er schwanken. Ich hatte ihn längst vergessen, dann ein paar Tage später, selbe Stelle, gleiche Klamotten, als ob er einen Baum umarmte. Gestern muss er stundenlang auf dem Parkplatz gestanden haben. Bewegungslos. Hat auf Fragen nicht reagiert. Viele Passanten haben sich gekümmert, er wollte keine Hilfe. Hat sich lediglich eine Flasche Wasser schenken lassen. Heute morgen hab ich mein Auto auf dem Parkplatz abgestellt, da sah ich ihn, von Polizisten umkreist. Die ihm Fragen stellten. Hinterher hat sich herausgestellt, dass er die Nacht im Bürogebäude verbracht hatte. Im Treppenhaus … Er ist verwirrt, antwortet auf Fragen unzusammenhängend, will nicht sagen, wer er ist. Aber er will alleine sein. Nicht so einfach, in einem Bürogebäude mit viel Publikumsverkehr. Eben wurde er abgeholt, er wird an einen Ort gebracht, wo er kompetente Hilfe bekommen wird. Und die gewünschte Ruhe. Denn irgendwie ist klar, dass ihn – was auch immer – vollkommen aus der Spur gebracht hat.
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Rausch [*.txt]
Kürzlich, auf dem Oktoberfest: eine Frau tanzt vor uns, ausgelassen, trinkt, tanzt, stellt ihre Maß bei uns ab. Später – sie sagt etwas, keiner versteht, was sie will. Irgendwann kapier ich: sie denkt, sie hat ihre Handtasche bei uns gelassen … Äh, nein. Geld, Schlüssel und Handy drin! Ja, aber wir haben die Handtasche nicht gesehen. Minuten später bittet sie die Musiker um Hilfe, die Tasche wird gefunden. Glücklich strahlt die Besitzerin. Einige Zeit später. Sie trinkt weiter, tanzt, legt die Handtasche achtlos auf dem Nebentisch ab, verschwindet … später kommt sie an viele Tische. Suchend.
Am selben Abend, auf dem Heimweg: ich laufe zur S-Bahn. Vor mir verliert ein Mann sein Handy, es schlittert, bleibt dann in Einzelteilen liegen – er steht vollkommen fassungslos, versucht, alles aufzuheben, immer wieder fällt ein Teil zu Boden. Ich hab ihm schließlich geholfen, alles richtig zusammengesteckt. Nur mit der PIN könnte ich nicht behilflich sein. Weiter auf dem Weg, oben auf der Hackerbrücke quatscht eine Gruppe junger Münner eindringlich auf die Polizisten ein! immer wieder erzählen sie! wie toll sie es finden! hier so gut beschützt zu werden! Kichern! Kneifen sich gegenseitig – und beginnen von vorne. Die Beamten Lächeln, nehmen es mit Gelassenheit. Minuten später steh ich am Bahnsteig und warte auf meine S-Bahn. Nette Mitarbeiter passen auf, dass keiner auf die Gleise stürzt. Ein Paar, das sich mittig stützt, schafft trotzdem beinahe, von der Kante zu fallen … Meine S-Bahn kommt, es geht nach Hause. Hurra, Fahrscheinkontrolle. Ein junger Italiener versucht wortreich und lautstark, zu erklären, dass sein Hotel ihm ein Komplett-Wiesn-Paket verkauft hat. Ganz bestimmt, er muss trotzdem bezahlen – die 4 Kontrolleure suchen weiter. Eine junge Frau hat kein Ticket, sie winkt, kann nicht mehr sprechen. Die Kontrolleure tun sich schwer, denn sie hängt richtig in den Seilen. An meiner Station steigen alle aus, die Frischluft ist zu viel für die Ärmste, sie gibt eine Menge von dem, von sich, wovon sie wohl etwas zu viel hatte …
Statt einem Alkoholrausch nehm ich vom Oktoberfest eigentlich immer rauschhafte Begebenheiten mit nach Hause 😉
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Ein verspäteter Beitrag zu Dominiks [*.txt]-Projekt, das zwölfte Wort lautet „Rausch“.