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Dankbarkeit für 19 Jahre

19 Jahre sind es geworden. 19 Jahre, in denen mein Onkel mit einem transplantierten Herzen weiterleben durfte. Er war ein netter, ein lustiger Kerl. Der aber über viele Jahre nicht an Gesundheit gedacht hat. Im Gegenteil, gerade als Jungvermählte waren er und meine Tante wohl im Dauerrausch, und das hat jetzt nicht so arg viel mit dem Glücksrausch des Frischverliebtseins zu tun: Bier, Schnaps, und gerne viel davon. 

Als Kind hab ich davon nicht viel mitbekommen, meine Erinnerungen gehen eher in Richtung seiner politischen Reden. Alle waren sie Deppen, die Politiker. Selber aktiv werden, um Dinge zu bewegen? „Bin i bled, na, i möcht mei Ruah!“ Über weniger politische Themen konnte man sich gut mit ihm unterhalten, eigentlich wollte er nur sein Leben und immer wieder eine Halbe Bier in Ruhe genießen, gut essen, mit ihm angenehmen Menschen zusammensein, dann ging’s ihm gut. 

Vor rund 20 Jahren dann die schockierende Diagnose: sein Herz machts nicht mehr lange. Er hatte großes Glück, wurde auf der Liste der Spenderherzen hoch priorisiert und im März 1997 wurde ihm ein neues Herz transplantiert. Das fast zwei Jahrzehnte tapfer weiterschlug. Ja, in den letzten Jahren kamen anfangs eher kleine Einschränkungen in den Alltag, die anderen Organe haben immer wieder Probleme gemacht. Dialyse, immer wieder Klinikaufenthalte, vor ein paar Monaten hatten ihn die Ärzte bereits aufgegeben, er konnte sogar noch mal nach Hause. 

Vorletzte Woche dann erneut die Einweisung ins Krankenhaus, einen kleinen Eingriff hatte er erneut gut überstanden. Am Wochenende stellte sich heraus, dass eine weitere OP notwendig sei – er hat sich dagegen entschieden. Gestern konnte sich die engste Familie verabschieden, er ist in der Nacht für immer eingeschlafen.

Ich vermute, dass bei meiner Tante, meiner Cousine und meinem Cousin auch mal Dankbarkeit für die 19 Jahre kommen wird. Durch die Transplantation durfte er seine Enkeltöchter aufwachsen sehen, sie hatten die Chance, ihren Opa kennenzulernen. Aber um das schätzen zu können brauchen alle sicher noch etwas Abstand …

Sorgen

Sonne
Sonne

Einer meiner Onkel ist 78 Jahre alt und lebt seit fast 20 Jahren mit einem Spenderherz. Die meiste Zeit war es gut, viel besser als zuvor. Seit etwa 5 Jahren aber muss er zusehen, wie sein Körper abbaut. Die Nieren haben gelitten, mindestens 3 mal die Woche wird er zur Dialyse gebracht. Letzte Woche verschlechterte sich sein Zustand rapide, er musste ins Krankenhaus. Meine Tante ging davon aus, dass er im Sterben liegt, und informierte ihre Geschwister. Im Gespräch ging es dann weniger um Gefühle, vielmehr um „was sich gehört“. Also wie die Beerdigung ablaufen soll, wer zum Leichenschmaus eingeladen wird – und dass sie nichts passendes anzuziehen hat. In der Klinik wurde ihm die Galle entfernt, jetzt geht es ihm zum Glück wieder besser. Wir machen uns trotzdem Sorgen.

Der andere Onkel ist ebenfalls über 70 und hat die Diagnose Magenkrebs erhalten. In der Familie meines Vaters waren alle sehr schockiert, denn er tut von seinen Geschwistern mit Abstand am meisten für seine Gesundheit, achtet auf die Ernährung und macht sehr viel Sport. Aber er hat sich in den vergangenen 3 Jahren auch sehr gestresst, weil seine Tochter sich nach mehr als 10 Jahren von ihrem treulosen Gatten getrennt hat. Er fühlte sich sehr verantwortlich, da floss ein Großteil seiner Energie in die Wiederherstellung eines positiven Zustands. Die Diagnose traf ihn vollkommen unvermittelt, mittlerweile hat er Chemo und Operation hinter sich. Aktuell ist er immer noch sehr geschwächt, ihm fehlt die vorher investierte Kraft … Wir machen uns Sorgen.

Vor etwas mehr als einem Jahr hatte mein Freund Andi einen Unfall, er stürzte die Kellertreppe hinunter. Und verlor einen Teil seines Gedächtnisses. Die vergangenen Monate hat er sich zurückgezogen, darauf konzentriert, im Beruf das Vergessene nachzuholen, aufzuholen, für seinen Beruf und die Familie. Wir haben uns seitdem nicht mehr gesehen, nur hin und wieder telefoniert. Jetzt hatte ich einen neuen Anlauf gestartet, die Freundschaftspause dauert mir schon fast zu lang. Da kommt nach einigen Tagen Antwort – es klappt nicht. Denn es ist zum zweiten Mal passiert, ohne Unfall. Das Gedächtns ist erneut weg … Das macht Angst. Die ersten Checks haben zunächst viele Krankheiten ausgeschlossen. So weit, so gut. Nur erklärt das nicht, was da passiert. Deshalb wird er ab dieser Woche in der Klinik sein, mit Zeit werden verschiedenste Experten neben seinem Körper auch der Seele Aufmerksamkeit widmen, die Psyche gründlich erspüren und versuchen, ihm zu helfen. Ich mach mir Sorgen.