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Rausch [*.txt]

Kürzlich, auf dem Oktoberfest: eine Frau tanzt vor uns, ausgelassen, trinkt, tanzt, stellt ihre Maß bei uns ab. Später – sie sagt etwas, keiner versteht, was sie will. Irgendwann kapier ich: sie denkt, sie hat ihre Handtasche bei uns gelassen … Äh, nein. Geld, Schlüssel und Handy drin! Ja, aber wir haben die Handtasche nicht gesehen. Minuten später bittet sie die Musiker um Hilfe, die Tasche wird gefunden. Glücklich strahlt die Besitzerin. Einige Zeit später. Sie trinkt weiter, tanzt, legt die Handtasche achtlos auf dem Nebentisch ab, verschwindet … später kommt sie an viele Tische. Suchend.

Am selben Abend, auf dem Heimweg: ich laufe zur S-Bahn. Vor mir verliert ein Mann sein Handy, es schlittert, bleibt dann in Einzelteilen liegen – er steht vollkommen fassungslos, versucht, alles aufzuheben, immer wieder fällt ein Teil zu Boden. Ich hab ihm schließlich geholfen, alles richtig zusammengesteckt. Nur mit der PIN könnte ich nicht behilflich sein. Weiter auf dem Weg, oben auf der Hackerbrücke quatscht eine Gruppe junger Münner eindringlich auf die Polizisten ein! immer wieder erzählen sie! wie toll sie es finden! hier so gut beschützt zu werden! Kichern! Kneifen sich gegenseitig – und beginnen von vorne. Die Beamten Lächeln, nehmen es mit Gelassenheit. Minuten später steh ich am Bahnsteig und warte auf meine S-Bahn. Nette Mitarbeiter passen auf, dass keiner auf die Gleise stürzt. Ein Paar, das sich mittig stützt, schafft trotzdem beinahe, von der Kante zu fallen … Meine S-Bahn kommt, es geht nach Hause. Hurra, Fahrscheinkontrolle. Ein junger Italiener versucht wortreich und lautstark, zu erklären, dass sein Hotel ihm ein Komplett-Wiesn-Paket verkauft hat. Ganz bestimmt, er muss trotzdem bezahlen – die 4 Kontrolleure suchen weiter. Eine junge Frau hat kein Ticket, sie winkt, kann nicht mehr sprechen. Die Kontrolleure tun sich schwer, denn sie hängt richtig in den Seilen. An meiner Station steigen alle aus, die Frischluft ist zu viel für die Ärmste, sie gibt eine Menge von dem, von sich, wovon sie wohl etwas zu viel hatte …

Statt einem Alkoholrausch nehm ich vom Oktoberfest eigentlich immer rauschhafte Begebenheiten mit nach Hause 😉

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Ein verspäteter Beitrag zu Dominiks [*.txt]-Projekt, das zwölfte Wort lautet „Rausch“.

Die nicht so schöne Seite der Wiesn

Der Westhang entlang der Schwanthaler Höhe ist gerade vielleicht das beliebteste Fotomotiv Münchens. Schön? … Betrunkene schlafen ihren Rausch aus, dazwischen entledigen sich ebenfalls Betrunkene, von allem möglichen. Dazwischen schießen betrunkene und nüchterne Wiesn-Besucher Selfies. Die dann um die Welt gehen. Schon in meiner ersten bewussten Erinnerung als Teenager war ich fassungslos, denn der Hang ist zur Oktoberfestzeit grässlich. Bis heute kann ich nicht vorbeilaufen, ohne so etwas wie Ekel zu empfinden. Ja, die Wiesn ist ein Trinkfest. Aber die Ausmaße, die das mitunter annimmt? Fällt mir immer schwer, nachzuvollziehen, was erstrebenswert daran sein soll, sich bis zur Besinnungslosigkeit zu trinken, um dann dort zu enden? Geschmäcker sind aber bekanntlich verschieden …
Das Extremtrinken hat sich nicht wirklich verändert. Ich weiß noch, wie ich mit meinen süßen 16 fassungslos war, dass man mittags schon so viel getrunken haben kann, um sich dahin zu legen. Der entscheidende Unterschied zu meinen ersten unangenehmen Begegnungen aus den 90ern: damals haben sich die Bilder in meinen Kopf eingebrannt. Und in den der anderen Besucher, die hingeschaut haben. Heute gehen sie in Netzwerken um die Welt. Ohne zu wissen, wen man da fotografiert, fotografieren so viele, ohne zu fragen, ohne zu zögern. Und dann laden sie diese Bilder hoch, machen sie öffentlich, teilen, veröffentlichen. Und wir alle dürfen sie dann sehen, ob wir auf der Wiesn sind – oder nicht. Denn die Bilder sind überall …

Ich hab bewusst kein Bild vom Westhang beigefügt, gibt eh schon viel zu viele!

Das Ding mit der Unvernunft

Hm, da hat die Freundin-Redakteurin irgendwie recht – und irgendwie auch nicht … Vielleicht wird man mit dem Alter manchmal zu vernünftig und braucht (mehr) Alkohol um in Stimmung zu kommen. Kann ich in meinem Fall beides verneinen. Ich bin ruhiger geworden, schlage aber oft genug über die Stränge, genieße das Leben oft extrem unvernünftig. Und leide dann auch schön nach. DAS ist nämlich doch das eigentliche Problem: zur Unvernunft gehört ein unendliches Maß an Zeit. Die man als Schüler, Student, junger Erwachsener ewig hatte. Wenn wir uns die Nächte um die Ohren geschlagen haben, feiernd, tanzend, redend, lachend, dann war die Vorlesung am nächsten Tag leerer, oder eben man selbst lethargisch in der letzten Reihe.
Meine Überlegung: Es fehlt nicht die Unvernunft, manchmal eher das Unbekümmerte. Wer auf Dauer Jede Nacht unvernünftig ist, Party macht, am nächsten Tag müde und unkonzentriert ist, muss mit beruflichen Konsequenzen rechnen. Und wer kann sich das leisten?
Zum Thema Alkohol muss ich leider anmerken: schade, dass das mit ein Aufhänger des Artikels ist. Denn betrunken auf einer Firmenfeier zu sein mag unvernünftig sein, ist aber doch in erster Linie eine Einstellungs- bzw. Ansichtssache? Der eine denkt im Traum nicht daran, für den anderen gehört es dazu … Für mich hat Feiern und das Leben auch mal über alle Stränge und Konventionen hinaus mehr mit privatem Leben, Freunden, neuen Menschen zu tun. Ich freue mich, wenn ich mit Menschen aus meinem Arbeitsumfeld ein Stadium von Vertrautheit und Lebensfreude erreichen kann. Wenn man sich privat kennenlernt. Aber in diesem Kontext brauche ich die Unvernunft nicht zwingend. Erleben will ich sie im Privaten, im engsten Umfeld, manchmal auch anonym in einer unbekanntem Umgebung. Und da kann ich jetzt nur für mich sprechen: ich lebe nicht vernünftig. Sondern genieße, was und wie es kommt. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich selbst „am Tag danach“ unvernünftig fühle. So muss es sein, dann wars perfekt. Auch das hat sich seit Teenagerzeiten nicht geändert 😉

Mit Kindern auf dem Oktoberfest

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Ich kann mich nicht erinnern, wie es als Kind auf Volksfesten war. Habe daran wirklich keinerlei Erinnerung. Bei meinen kleinen Freunden gibt es in jedem Fall zwei Sorten Kinder: diejenigen, die Volksfeste großartig finden: je lauter, je bunter, je greller, je mehr Menschen um einen rum, umso besser. Und diejenigen, die weinen, lieber woanders wären. Die sich nicht beruhigen lassen, verschreckt sind. Da kann kein Spielkamerad helfen, kein schönes, ruhiges kleines Karussell. Keine Schokolade, kein schöner Luftballon. Habe das bislang quer durch alle Altersklassen erlebt, ob Baby, Kleinkind, Kind – jedes Kind ist anders.
In den letzten Tagen hab ich auf der Wiesn viele Familien mit Kindern gesehen. Beobachtet, wie kleine Mädchen sich hinter ihrem Papa verstecken, und trotzdem mit großen, neugierigen Augen den Kerlen zuschauen, die den Lukas hauen. Wie ein Kleiner Junge sicher in den Armen seines großen starken Papas die Münchner Rutschen herabsaust, lächelnd und mit einem glückseligen Juchzen. Wie eine Gruppe Kinder das Kinderkarussell erobert und eine Runde lang viele Freunde sich gegenseitig zujubeln, und auch mal zu den fotografierenden Eltern Lächeln, das aber nur als notwendiges Übel. Sonst waren sie vollkommen in ihrer Rolle als Feuerwehrmann, Polizist, Hubschrauberkapitän oder Motorradfahrer versunken. Mein Liebling war eine etwa 7jährige, die mit ihrer Oma in der Schlange am Riesenrad stand und sehnsüchtig nach oben geblickt hat. „Oma, glaubst du echt, ich kann von ganz oben aus bis zu uns nach Hause schauen?“ „Ja, wir können das sogar fotografieren…“ „Oh, dann machen wir ganz viele Fotos, die kann ich dann allen zeigen!“
Dann gibts die anderen Extreme: im Schottenhammel war Samstag am frühen Nachmittag ein asiatisches Ehepaar mit einer vielleicht zweijährigen Tochter. Im Gang. Die Mutter hatte das Kind quasi an der Leine, der Vater hat getrunken, wahrscheinlich auch seine Frau. Viele Betrunkene haben versucht, mit dem Kind zu tanzen, es zum Lachen zu bringen … Direkt daneben wird von der Bank gekotzt, Betrunkene taumeln, Krüge gehen zu Bruch. Ein Kamerateam von RTL hat versucht, den Eltern klarzumachen, dass das kein Platz für kleine Kinder ist. Irgendwann waren sie nicht mehr da, ich hoffe, sie sind rausgegangen. Ein Bierzelt ist kein guter Ort, nicht um diese Zeit, nicht mit der Masse an betrunkenen Besuchern. Abends hab ich auch stark schwankende Eltern gesehen, den Kinderwagen nicht mehr sicher im Griff. Vor dem Weinzelt stand ein großer Bruder mit seiner kleinen Schwester, sie hat so geheult. Auf meine Frage, wo denn ihre Eltern seien, meinte der Große „Die wollten sich noch schnell was zu trinken holen.“ „Wie lange steht ihr schon hier und wartet?“ „Weiß nicht, vielleicht eine Stunde?“ Der Junge war vielleicht 6 Jahre alt.
Ich hoffe, die Kinder erinnern sich später mal nur an die guten Erlebnisse?

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