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Stürmisch wars

  Friesland 2016. Eine Woche auf dem Hausboot ist so wunderbar erholsam, das glaubt man nicht. Man ist nur ein klitzekleines bisschen auch vom Wetter abhängig. Dieses Mal war’s eben ein Saisonauftakt Ende März, doch noch ein paar Grad kühler. Vor allem aber stürmisch. Also so richtig. So kams, dass schon beim Bepacken des Bootes meine heißgeliebte und vor allem wärmende Fleecejacke hoch in die Luft und dann ins Wasser gewirbelt wurde – und schnell absoff. 

Wir legten ab, unser Kapitän wollte aufs Wasser. Trotz Sturm. An der ersten „Kreuzung“ funktionierte eins der Ruder nicht und es hat uns mindestens eine Minute stürmischst gedreht. Weiter durch einen wirklich aufgepeitschten See, um uns herum spritzte die Gischt. Der Kapitän musste allein und nass bis auf die Haut an Deck verbleiben, die Mannschaft hatte genug damit zu tun, die Kabine wasserdicht zu halten. Da hat es uns schon in den ersten Stunden wirklich gut durchgeschüttelt. Puh. Beim ersten Anlegemanöver wars dann fast spektakulär, wir wollten gegen den Wind anlegen und konnten das Schiff nicht festbekommen, es wurde von den Windböen immer wieder vom Ufer geblasen. Und nicht nur das, es war so ein Druck auf den Tauen, das war nicht festzumachen. Da blieben dann zwei Mannschaftsmitglieder an Land, während das Boot noch mal wenden musste. Zum Glück haben nette Hausbootfahrer an anderer Stelle mit festgemacht, denn bis wir da waren … 

So lief Wetter- und vor allem Kältebedingt alles etwas mehr unter Deck ab, denn oben wurde es viel zu schnell klamm. Das gute Wetter für endlose Ausblicke und das neue Lieblingshobby der Nichte „gratofieren“ ausnutzen. Danach haben wir zum Glück viel Spielzeug und Malsachen dabei. Also wird alles, alles, wirklich alles gespielt, damit es Tante und Nichte niemals nicht langweilig wird. Aber: Zum noch größeren Glück wurde es von Tag zu Tag windstiller und vor allem sonniger, denn immer verlieren macht nicht immer Spaß. Und wir hatten ja auch Erstlingsbootfahrer mit dabei – und denen war die ersten beiden Tage doch etwas die Enttäuschung anzumerken? Aber spätestens ein sonniger Strand in Harlingen entschädigt. Da hätten wir auf Wunsch der Nichte auch gerne noch ein paar Tage länger bleiben können. Und ganz ehrlich: auch wenn um einen rum die Mannschaft redet, dieses Schippern auf den Kanälen, den Schafen, Kühen und Pferden beim Weiden zusehen, sich von Enten und Möwen begleiten lassen, hin und wieder über einen Fischreiher freuen. Das bringt so runter, Erholung pur.

Was sonst noch in Erinnerung bleiben sollte:

  • Der Kapitän, mein Schwager, versucht immer noch, aus Landratten so was wie eine Schiffsmannschaft zu machen und verwendet Seemannssprache. Die erstmal „ausgedeutscht“ werden muss …
  • Ergo: Der Kapitän war mit dem Anlegen seiner Mannschaft auch nach dieser lernintensiven Woche niemals nicht zufrieden. Zu Recht.
  • Vorletztes Anlegen, die erste Position passte dem Kapitän nicht, wir sollen mit dem Tau als Lasso eine Position „weiter“ erwischen. „Das kann doch nicht sein ….!!!“ Selbst ist der Mann. Und dann fahren wir doch noch mal etwas nach vorne, weil  … So halt.
  • Das Wetter bestimmt die Route, nicht der Plan.
  • Wir wären ohne Sturm niemals nach Stavoren gefahren, dabei ist das eine der alten friesischen Städte und wirklich sehenswert. Leider war der Wind zu heftig für den Strand, muss also ein anderes Mal nachgeholt werden. Genau wie Akkrum und Lemmer, die ich also auch dieses Mal nicht gesehen habe. Ab auf die Merkliste.
  • Ein guter Verlierer bei egal welchem Spiel sein rettet fast jede Stimmungslage bei 5jährigen Mannschaftsmitgliedern.
  • Die bestimmt 1000 Bilder stammen zu großen Teilen von der bezaubernden „Gratofiererin“, wobei „Papa, gib mir mal deine Kamera, die von der Coco macht keine so guten Bilder.“
  • Man sollte immer mindestens eine Sonnenbrille mit an Bord nehmen, denn schon kleinste Wolkenlöcher werden dankbarst an Deck verbracht. Und da strahlt die Sonne einfach durch das Wasser reflektiert heller.
  • Das erste Eis der Saison im sonnigen Sneek – jawoll.
  • Und wenn es noch so klein ist, Grou war wieder eine Reise wert. Und wer weiß, vielleicht schafft die Region um Leeuwarden wirklich, sich erfolgreich als Kulturhauptstadt 2018 zu bewerben und dann noch ein Zuckerl extra zu bieten?

Und unvergessen dieses Gespräch nach einem der wenigen tadellosen Anlegemanöver:

  • Schwester sinniert beim Abendessen: „Immer, wenn wir Hausbootfahren, denken wir beim Anlegen regelmäßig über Scheidung nach …“
  • Schwager sarkastisch: „Du oder ich, Schatz?“
  • Schwester, vollkommen irritiert: „Na, ich denke doch, wir beide? Oder?“

Mit dem Hausboot durch Friesland

Zurück von Tagen auf See hab ich Landratte erst mal mit Schwindel zu kämpfen. Die erste Nacht fühlt sich alles nur nach Schwanken an. In meinem Fall hindern mich auch noch ein paar andere Wehwechen am Schlafen, davon aber später.

Meine Perspektive des friesischen Hausboot-Aufenthalts: Es war soooo toll, eintauchen in eine ganz andere Welt. Kein Handyempfang, keine dringenden Mails, kein Checken, was meine Freunde und deren Bekannte grade so auf Facebook oder wo auch immer erleben. Einfach gemütlich auf dem Hausboot durch die Kanäle schippern, den Blick nach Links und rechts, Schafen, Kühen, Pferden und vor allem den unzähligen Wasservögeln zuschauen. Und mal an gar nichts denken. Wie hat mein Schwager so schön gesagt: Hausbootfahren ist eine Wanderung oder Radtour für Faule. Da ist schon was dran. Das Boot fährt sehr träge dahin, es bleibt immer genug Zeit zum Schauen. Und es gibt einfach irre viel zu sehen. Auch wenn ich Friesland jetzt rein optisch nicht zu den reizvollsten Landschaften zählen würde, die ich bislang sehen durfte. Viel flaches Land, viel Weide- und Ackerfläche. Aber hat auch was, man kann sich auf die Besonderheiten konzentrieren. Meine Hoffnung auf große farbenprächtige Tulpenfelder entlang der Kanäle hat sich leider nicht erfüllt, die haben wir auf der Heimfahrt entlang der Autobahn entdeckt – da war die Kamera nicht mehr griffbereit. Egal, hab genug andere Bilder gemacht.
Nichtenperspektive (ok, natürlich aus meinem Blickwinkel): das ist schon meine fünfte Hausbootfahrt, eigentlich schon die sechste, denn als Mama schwanger war, war ich schließlich auch schon dabei. Ich bin kein Baby mehr, sondern schon ganz groß – insofern kann ich alles allein. Was ich möchte. Mit Schwimmweste darf ich draußen rumwuseln, da immer ein Erwachsener hinter mir herläuft ist das aber nicht sehr abenteuerlich, also bin ich am liebsten unter Deck mit allen meinen Spielsachen. Mit der Tante, die will schließlich beschäftigt werden, sonst wird der mit den ganzen anderen Großen doch nur langweilig. Die Großen sind immer ganz aufgeregt, wenn sie draußen „große Brummer“ entdecken, dabei sind das doch nur Lastkähne, schaut einer aus wie der andere und alle haben hinten drauf ein Auto. Das mit den Kühen, Pferden und Schafen überall ist schon ganz nett, zum Glück gibts auch immer wieder Ponies (meine Lieblinge und Lämmchen, aber die sind immer so weit Weg, dass ich die ja doch nicht füttern kann). Der Osterhase hat uns nach etwas Suchen zum Glück auch gefunden, einmal auf dem Boot, dann am Strand und mitten in der Stadt. Wahrscheinlich wär er noch öfter gekommen, aber der muss ja auch noch die ganzen anderen Kinder besuchen. Hab schon bisserl Schokolade und tolle neue Bücher bekommen … Die holländischen Enten mögen kein deutsches Brot, die sind „gschleckig“, denen muss man beim Bäcker immer frisch Toastbrot holen. Das kann ich mit meinem Tretrad machen, am liebsten allein, aber für den Rückweg ist es ganz praktisch, wenn ein Erwachsener mitkommt. Da mag ich nämlich eigentlich immer nicht mehr – und wer schleppt sonst mein tolles Rad zurück zum Schiff?
Elternperspektive: dass der Papa direkt nach dem Start ohne Navigationshilfe auf Schlamm aufgesessen ist war Künstlerpech und überflüssig, aber wir hatten wieder das Vergnügen mit einem netten Techniker. Der dann auch das Bugstrahlruder angemacht hatte, das nach der Winterpause noch nicht wieder im Einsatz war. Und das uns beim An- und Ablegen, vor allem in engeren Kanälen, wertvolle Dienste geleistet hat. Das friesische Wetter macht, was es will, letztes Jahr zu Pfingsten Dauerregen und Nebel. Dieses Jahr zu Ostern mindestens jeden zweiten Tag strahlender Sonnenschein. Das Anlegebier abends draußen zu genießen und noch etwas in die Natur zu schauen ist entspannend. Osterspaziergang am Strand könnte Familientradition werden. Tante oder Nannie dabeizuhaben ist meistens ok, vor allem beim Beladen des Schiffes oder beim An- und Ablegen, außer wenn Mademoiselle just keine Lust auf die Tante hat. Kann auch mal vorkommen 🙂 Seeluft macht hungrig, deshalb wird die bezaubernde Nichte schneller als zu Hause übellaunig. Lässt sich meist mit einem Happen guter einheimischer Küche beheben (Anmerkung der Tante: meine Schwester und ihr Mann lieben beide Fibo, eine einheimische Fastfoodkette, also gute friesische Hausmannskost ;-))

Insgesamt waren es trotz Dauerstress mit einer 3einvierteljährigen, die partout kein Baby mehr sein möchte, alles selbermachen will, dann aber von einer Sekunde auf die andere aus nur ihr bekannten Gründen schmollt, bockt, weint, petzt, sich beschwert oder sonstwie meckert, wunderbar entspannende Tage an Bord. Oder in den Kleinen Städten, die wir unterwegs besucht haben. Ich bin im großen und ganzen wunderbar erholt, braungebrannt – und wenn sich mein Gleichgewicht wieder ans Festland gewöhnt hat rundum geerdet. Und zu den kleinen Wehwechen komm ich dann im Lauf der Tage mal 😉

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