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Momentaufnahmen #19

Die 19. Frage von Aequtitas et Veritas lautet: Was möchtest du an die nächste Generation weitergeben? Welche Werte oder Erkenntnisse?

Das ist sehr einfach, denn genau das ist die Frage, die ich hier auf dem Blog „bearbeite“: ich schreibe meinen Patenkindern hier für später „Meine Sicht der Welt“ auf. Da ist ganz viel von mir zu lesen, von meiner Kinderzeit, die mich sehr geprägt hat, meine Familie und auch sonstige Einflüsse werden oft schon sehr genau skizziert. Und ich gehe durchaus selbstkritisch mit meinem Wachsen und Werden in der Welt um, befasse mit sowohl mit den Stationen und dem, wie ich die Dinge heute sehe.

Warum ich das mache? Weil ich nicht weiß, ob ich später noch da sein werde, wenn es die Kinder von heute interessiert. Weil meine Prägung ist, dass wir vor allem das nicht für selbstverständlich nehmen sollten. Wir können nicht als selbstverständlich voraussetzen, dass wir körperlich und geistig für immer präsent sein werden. Heute kann ich noch kommunizieren, was mir wichtig ist, anstatt sie später rätseln zu lassen.

Und eine andere Erkenntnis ist, dass man selbst als Kind Dinge anders wahrnimmt, als das die Erwachsenen tun. Wenn ich heute Erlebnisse aus meiner Kinderzeit schildere, die mich sehr bewegt haben, merke ich, dass meine Eltern das gar nicht mitbekommen, es als nebensächlich eingeschätzt oder sogar vergessen haben. Deshalb gibts auch die vielen kleinen Momentaufnahmen der Nichten-Tanten-Chaostruppe. Denn eventuell kann das später mal „Licht ins Dunkel“ bringen.

Wenn nicht? Ist es eben so. Ich denke nicht, dass ich das beeinflusse, sondern die kleinen Menschen, die dann groß sein werden. Und es vielleicht lesen werden, oder auch nicht. Mal sehen, ob ich es dann noch kommentieren werde (oder eben nicht).

Spruch zum Wochenende: Frieden ist die Grundlage

„Eine jener Wahrheiten ist die, dass Frieden die Grundlage und das Endziel des Glückes ist, und eines dieser Rechte ist das Recht auf das eigene Leben. Der stärkste aller Triebe, der Selbsterhaltungstrieb, ist gleichsam eine Legitimation dieses Rechtes, und seine Anerkennung ist durch ein uraltes Gebot geheiligt, welches heißt: »Du sollst nicht töten«. Doch wie wenig im gegenwärtigen Stande der menschlichen Kultur jenes Recht respektiert und jenes Gebot befolgt wird, das brauche ich nicht zu sagen. Auf Verleugnung der Friedensmöglichkeit, auf Geringschätzung des Lebens, auf den Zwang zum Töten ist bisher die ganze militärisch organisierte Gesellschaftsordnung aufgebaut.“ (Bertha von Suttner)

Eine andere Zeit, und doch allzeit gültig. Was ich mir so sehr wünschen würde ist etwas mehr Friede, im Innen und nach außen. Schluss mit Hasskommentaren, mehr miteinander, mehr alle zusammen statt Ich, Ich und noch mal Ich.

Das mit der Non-Konformität

Non-konform, nicht angepasst, anders, individuell, besonders.

Monsieur ist mit seinen 11 Jahren noch sehr kindlich, dabei aufmerksam, er orientiert sich gerne an Erwachsenen, mag seine Lehrer, spricht sie an, trägt Unterrichtsmaterial, engagiert sich. Dazu redet er gerne mit Mädchen, hat gute Noten, antwortet auf Fragen, steht zu dem, was er tut, … und wird durch all das, was ihn ausmacht gerade zum zweiten Mal in seinem Leben zum Außenseiter.

Zum ersten Mal war es das Nichtbeherrschen der französischen Sprache beim Umzug in die Schweiz. Als Deutscher hat es lang gedauert, bis er dort akzeptiert wurde. Jetzt ist es die neue Schule, in seiner Klasse wird er gemobbt. Von den anderen Kindern, vor allem von den selbsternannten coolen Jungs … die alles andere als cool sind. Sie nutzen ihre gemeinsame Masse und die dadurch entstehende Schlagkraft. Gegen ihn, den vermeintlich Schwächeren.

Der Übertritt ans Gymnasium ist für die meisten Kinder – und wie ich mich so umhöre, hat sich da seit meinen Zeiten in den 80ern nichts geändert – eine Herausforderung. Nicht nur schulisch werden andere Leistungen, ein deutlich erhöhtes Lernniveau und -Pensum sowie ganz generell Veränderung gefordert.

Im konkreten Fall hat die Schule den Eltern meines Patenkindes geraten, dass sich das Opfer eine dickere Haut zulegen müsse. Schließlich sei es in der heutigen Zeit in der Gesellschaft wichtig, frühzeitig Verletzungen, Schmähungen, Kränkungen an sich abprallen zu lassen. Das Opfer soll sein Verhalten ändern, sein anerzogenes und bereits selbst weiterentwickeltes Weltbild, bestehend aus Toleranz, Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit nicht leben, weil es nicht zeitgemäß ist. Er muss an seiner Sensibilität arbeiten, um heute bestehen zu können …

Etwas irritierend, dass von Schulseite aber keineswegs ein Coaching für die Täter angedacht wird, die könne man nicht ändern: wohlstandsverzogen. Vom Elternhaus, wo sie falsche Werte mitbekommen haben. Das würde also bedeuten, dass Täter nicht zur Verantwortung gezogen werden können, weil es eh nichts nützt. Zudem ist aktuell wohl auch nicht geplant, mit den anderen Eltern zu sprechen. Auch da scheint die Erwartungshaltung ohne Aussicht auf Erfolg? … Ja, das macht nicht nur die Eltern des betroffenen Kindes fassungslos, sprachlos und wütend.

Vor allem aber nachdenklich, ja, ich denke auch, dass Monsieur lernfähig ist, finde wichtig, dass er künftig mit der Schulpsychologin an seinem Selbstbewusstsein arbeiten soll, um künftig die Verletzungen besser verarbeiten zu können. Leider wird nicht ausbleiben, dass er sich dadurch verändert, aber das ist in meiner Sicht der Welt dennoch besser, als dass er durch das Mobbing gebrochen wird … vielleicht kann er durch seine Sensibilität Wege finden, die keine Waffen sind, eben andere Möglichkeiten, um der gnadenlosen Boshaftigkeit der anderen Kinder etwas entgegenzusetzen. Denn dass er böse und gemein wird? Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.

Und in einem widerspreche ich dem Rat seines Lehrers: ja, Kampfsport könnte ihm gut tun, um sich körperlich zu fördern, um sich auszupowern, um eine andere Körperspannung- und Haltung aufzubauen und diese auch auszustrahlen. Aber nicht, um zurückzuschlagen, wenn er getreten wird. Sondern um sich zu verteidigen …

Sonntagsfreude: Herr Nachbar hat geheiratet

Der Nachbarsjunge, knappe 2 Jahre älter. Wir sind, seit ich denken kann, gemeinsam durch die umliegenden Gärten, Felder, Wiesen und Wälder gelaufen. Ich immer hinter ihm und seinen Jungs her, war natürlich die Jüngste. Eine Zeitlang haben sie mich trotzdem akzeptiert. Dann gabs eine fiese Aktion: was genau passiert ist? Ich kann mich nur noch erinnern, dass sein Opa kommen musste, um mich aus einem zu einer Schaukel umfunktionierten Reifen zu befreien. Ich vermute, sie hatten mich festgebunden. Das hat wirkungsvoll dazu geführt, dass ich mich anderen Spielgefährten zugewendet habe. Dennoch sind wir über die Jahre irgendwie freundschaftlich verbunden geblieben, ohne große Überschneidungen, unterhalten uns gerne – und ich glaube, wir mögen uns auch. Aber eben nicht mehr. 

In den letzten beiden Jahrzehnten habe ich von ihm immer wieder gehört, wie spießig die Welt und vor allem die Gesellschaft sei, wie sehr er raus aus all diesen Zwängen möchte, wie wichtig ihm Freiheit und Unabhängigkeit ist. Wie sehr er das Dorfleben mit all seinem Tratsch verachtet. Freie Liebe, Freiheit der Gedanken, ein freies, natürliches Leben, jenseits irgendwelcher konventioneller Zwänge wolle er leben. Keine feste Beziehung, kein sich zueinander definieren, das, was man miteinander hat, voreinander definieren, überhaupt gar nichts definieren. Einfach geben und nehmen, ohne Verpflichtung. Da kannte er seine Freundin noch nicht. Sie ist anders. Ein ganzes halbes Jahr Asien-Auszeit haben die beiden genommen, ehe er sie gefragt hat. Und jetzt haben die zwei ganz traditionell am Standesamt ja zueinander gesagt. Mit Unterschrift, vertraglich besiegelt. Gut, hingefahren sind sie auf einem Oldtimer-Motorrad, die Braut im Beiwagen. Und direkt nach der Trauung ging’s im VW-Bus auf eine Fahrt ins Blaue. Also zumindest nicht so ganz angepasst an das, was „sich gehört“. Mich freut es sehr, denn er wirkt ganz in dich ruhend, glücklich und zufrieden. Schön.

Mehr Sonntagsfreude sammelt Rita, die sich freut, eine bislang nur aus dem www bekannte Bloggerin persönlich getroffen zu haben.