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Spruch zum Wochenende: Atmen

Weil man öfter mal daran denken sollte, dass es bei all unserem Stress nur selten um das wirklich Elementare im Leben geht: „Ich werde atmen. Ich werde an Lösungen denken. Ich werde mich nicht von meinen Zweifeln kontrollieren lassen. Ich werde mich nicht vom Stress brechen lassen. Ich werde einfach atmen. Und es wird ok sein. Weil ich nicht aufgebe.“ (Shayne McClendon)

Opa Wilhelm

Worte – sagen so viel aus. Können so viel bedeuten. Die Pfarrerin hat bei der Trauerfeier für Opa Wilhelm sehr gute Worte gefunden, um sein Wesen zu skizzieren. Sie hat ihn tatsächlich nicht nur getroffen. Sondern sogar seinen Tonfall. Denn genau dieses liebenswerte, positive, das war seine Art der Kommunikation.

Als ich den Vater meines Schwagers kennenlernte, war er ein geselliger Mensch. Meine ersten Erinnerungen sind seine Ausführungen zum Postwesen, denn das war unsere Verbindung: mein Studentenferienjob seine lebenslange Aufgabe. Schon nach dem Jurastudium ist er in den Konzern eingestiegen, hat eine beachtliche Karriere hingelegt. Vieles konnte er bewegen, viele Positionen bekleiden. Und das hat er immer mit vollem Einsatz getan, sich engagiert, für eine gute Arbeitsatmosphäre gesorgt, so dass sich die Mitarbeiter auch mit weniger angenehmen Aufgaben wohlfühlen konnten.

Er war ein Genussmensch durch und durch, einem guten Essen, gutem Wein, gutem Bier niemals abgeneigt. Eine nette Anekdote, an die sich die Familie wohl gerne erinnert: mit den Kindern diskutierte er auch mal am Abendbrot-Tisch einen juristischen Fall. So brachte er ihnen bei, dass Argumentieren, Hinterfragen und davon Ableiten nicht nur bei Gericht, sondern in allen Bereichen des Lebens elementar sei. Im Teenageralter musste wohl vor allem seine Älteste häufig sehr gute Argumente anbringen, ehe sie ausgehen durfte …

Zudem war Opa Wilhelm schlicht ein angenehmer Zeitgenosse. Er lachte gern, erzählte Anekdoten aus seinem Leben, auch mal einen Witz. Ein Gentleman durch und durch, seiner Frau ein sehr fürsorglicher, liebevoller Ehemann. In den letzten Jahren wurde er gemächlich, war er als junger Familienvater gerne mit den Kindern in den Bergen unterwegs gewesen, seitdem ich ihn kenne war er nicht mehr sehr beweglich. Dann wurde er krank. Trotz guter Behandlung hat er seine Kommunikationsfähigkeit eingebüßt. Man konnte ihn immer schwerer verstehen. Für einen viel und gern sprechenden Menschen wie ihn sicher kein leichtes Los. Nachdem im letzten Jahr eine Behandlung gut angeschlagen hatte war er hoffnungsvoll. Dann kamen vor Weihnachten immer wieder neue Schwächeanfälle, schließlich die klare Diagnose, dass es weder eine Operation noch eine Chemotherapie geben werde. Wie lange noch? Leider nicht mehr lange. Er durfte zu Hause sein, liebevoll gepflegt von seiner Ehefrau und den drei Kindern nebst Familien. Auch sein jüngerer Bruder und dessen Ehefrau konnten sich noch verabschieden. Am Montag ist er friedlich für immer eingeschlafen. Von seinen Schmerzen und vor allem von aller Angst befreit …

Glaubenssatz

Mein mittleres Patenkind hat viele Freunde. Im Kindergarten und in der Nachbarschaft. Sie ist sehr glücklich darüber, das hat sie gestern ihrer Mama freudestrahlend erzählt. Denn auf die Weise wird sie weiterleben, auch wenn sie einmal sterben sollte.

Diesen Glaubenssatz hat sie aus einer Religionsstunde abgeleitet, in der besprochen wurde, dass Jesus am Kreuz sterben musste. Die vielen Menschen, die ihn geliebt haben und Erinnerungen an ihn in Erzählungen lebendig halten, lassen ihn weiterleben. Das Wissen, dass sie Freunde hat, die sie lieben und sich an sie erinnern werden, beruhigt sie, erfreut sie von ganz tief innen heraus und schenkt ihr eine tiefe Zufriedenheit und Gelassenheit.

Und damit teilt sie eine wichtige Erkenntnis mit mir: Erinnerungen an die Menschen, die wir lieben, sind so wichtig. Bitte vergesst das gemeinsame Erleben nicht, erst wenn Menschen totgeschwiegen werden, sterben sie und ihre Geschichten endgültig … Den Impuls für meinen Glaubenssatz haben mir übrigens diese kurzen Zeilen gegeben, über die ich zu Teenagerzeiten viel nachgedacht habe: „O ja, ich will nicht umsonst gelebt haben wie die meisten Menschen. Ich will den Menschen, die um mich herum leben und mich doch nicht kennen, Freude und Nutzen bringen. Ich will fortleben, auch nach meinem Tod.“ (Tagebucheintrag von Anne Frank am 5. April 1944)

[Liebe Mademoiselle, ich habe lang mit mir gerungen, denn du hast gestern empört geschimpft, weil deine Mama mir dein Glücksgefühl verraten hat, obwohl du es ihr unter dem Siegel der Verschwiegenheit verraten hast. Ich liebe deinen Gedanken zu sehr und befürchte, dass wir ihn alle vergessen könnten, als dass er hier nicht für später festgehalten werden sollte. Ich hoffe, du kannst uns, also deiner Mama und mir verzeihen? Und vielleicht freust du dich später sogar mal über diesen kleinen Glaubenssatz – und er kann dir weiterhelfen? Das wünsch ich dir sehr!]