Ich mag ja den Wiener, an und für sich und richtig gerne. Den Schmäh, das „Schau ma mal“, den Charme, das Gnä Frau – und den Dialekt. Auch wenn ich nicht alles so auf Anhieb verstehe und schon etwas nachdenken musste, was mir ein Bekannter mit „Geh Herzl, magst von de Fischerl a Goscherl voll naschen …?“ sagen wollte? Auf seinem Teller übrigens: Burger, Pommes und Deko-Tomatenscheiben 🙂
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Lebendige Entwicklung von Sprache
Vor einigen Monaten habe ich einen Artikel gelesen, der besagte: wenn Sie diese Worte kennen sind Sie alt. Schmeichelhaft. Jetzt hatte ich in diesen Tagen ein Erlebnis, bei dem zwei bairische Mannsbilder sich in einer Unterhaltung gründlich missverstanden haben. Der eine ist knapp über 40, der andere um die 30. Beide in Oberbayern geboren und aufgewachsen, des ortsüblichen Dialektes kundig.
Ü40: „Der mit seiner Pamperl-Firma…“
Ü30: „Verdient aber gutes Geld, was er immer so erzählt.“
Ü40: „Trotzdem, alles nur Pamperlkram, was der treibt …“
Ü30: „Quatsch, Bappal, ist doch echt, nicht nur mit Briefkasten und so …?“
Erklärung: Pamperl, das bairische Wort, das Ü40 verwendet hat, bezeichnet etwas Kleines, Minderwertiges. Mit seiner Aussage wollte er klarstellen, dass „Der“ zwar ein Geschäft betreibt, das aber keinesfalls für Qualität steht. Was Ü30 verstanden hat: Der mit seiner Bappal-Firma. Das bairische Wort steht für einen Aufkleber, wurde hier aber missverständlich mit einer Briefkastenfirma in Verbindung gebracht. So entwickelt sich Sprache. Und an der eingangs erwähnten Annahme, dass, wer älter ist, Wörter noch kennt, könnte zumindest in diesem Fall was dran sein …
Verstehen [*.txt]
Mit dem Verstehen ist es so eine Sache – denn zum Verstehen braucht es gemeinsame Grundlagen. Das identische Verstehen von Sprache zum Beispiel, die Bedeutung oder auch Interpretation von Wörtern. Von Sätzen. Von einer Aussage.
Einer sagt: „Es geht mir gut.“ Der andere versteht: ich fühle mich wohl. Ich bin gesund. Ich bin mit mir und meinem Leben zufrieden. Es geht so …
Einer sagt: „Ich habe viel zu tun.“ Der andere versteht: ich habe zu viel zu tun. Ich habe keine Zeit. Ich mag nicht. Mir fällt gerade keine Ausrede ein, aber ich habe keine Lust …
Einer sagt:“Ich melde mich bei dir.“ Der andere versteht: du hörst von mir. Ich rufe dich bald an. Ich melde mich später bei dir. Du hörst noch heute von mir. Ich brauche Zeit, bevor ich mich bei dir melde. Ich melde mich irgendwann bei dir, gerade hat alles andere Vorrang …
Einer sagt: „Es geht mir nicht gut.“ Der andere versteht: Ich habe Probleme. Ich brauche Hilfe. Ich brauche dich. Ich möchte gerne, dass du mir zuhörst. Anderen geht es besser als mir. Ich bin krank. Ich fühle mich nicht gut …
Kommunikation setzt, sofern es sich nicht um ein Selbstgespräch handelt, immer voraus, dass man sich unterhält, also rückfragt, wenn man nicht versteht.
Manchmal versteht das Herz, die Seele, mehr, als der Verstand jemals erfassen kann.
Manchmal verstehen die Augen, eine aufmerksame Beobachtung so viel mehr, als Worte jemals erklären könnten.
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Ein verspäteter Beitrag zu Dominiks [*.txt]-Projekt, das 13. Wort lautet „Verstehen“.
Spruch zum Wochenende: Wenn ein Kind …
„Wenn ein Kind kritisiert wird, lernt es, zu verurteilen.
Wenn ein Kind angefeindet wird, lernt es zu kämpfen.
Wenn ein Kind verspottet wird, lernt es, schüchtern zu sein.
Wenn ein Kind beschämt wird, lernt es, sich schuldig zu fühlen.
Wenn ein Kind verstanden und toleriert wird, lernt es, geduldig zu sein.
Wenn ein Kind ermutigt wird, lernt es, sich selbst zu vertrauen.
Wenn ein Kind gelobt wird, lernt es, sich selbst zu schätzen.
Wenn ein Kind gerecht behandelt wird, lernt es, gerecht zu sein.
Wenn ein Kind geborgen lebt, lernt es, zu vertrauen.
Wenn ein Kind anerkannt wird, lernt es, sich selbst zu mögen.
Wenn ein Kind in Freundschaft angenommen wird,
lernt es, in der Welt Liebe zu finden.“
(Text aus einer tibetischen Schule)