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Das Ding mit der Unvernunft

Hm, da hat die Freundin-Redakteurin irgendwie recht – und irgendwie auch nicht … Vielleicht wird man mit dem Alter manchmal zu vernünftig und braucht (mehr) Alkohol um in Stimmung zu kommen. Kann ich in meinem Fall beides verneinen. Ich bin ruhiger geworden, schlage aber oft genug über die Stränge, genieße das Leben oft extrem unvernünftig. Und leide dann auch schön nach. DAS ist nämlich doch das eigentliche Problem: zur Unvernunft gehört ein unendliches Maß an Zeit. Die man als Schüler, Student, junger Erwachsener ewig hatte. Wenn wir uns die Nächte um die Ohren geschlagen haben, feiernd, tanzend, redend, lachend, dann war die Vorlesung am nächsten Tag leerer, oder eben man selbst lethargisch in der letzten Reihe.
Meine Überlegung: Es fehlt nicht die Unvernunft, manchmal eher das Unbekümmerte. Wer auf Dauer Jede Nacht unvernünftig ist, Party macht, am nächsten Tag müde und unkonzentriert ist, muss mit beruflichen Konsequenzen rechnen. Und wer kann sich das leisten?
Zum Thema Alkohol muss ich leider anmerken: schade, dass das mit ein Aufhänger des Artikels ist. Denn betrunken auf einer Firmenfeier zu sein mag unvernünftig sein, ist aber doch in erster Linie eine Einstellungs- bzw. Ansichtssache? Der eine denkt im Traum nicht daran, für den anderen gehört es dazu … Für mich hat Feiern und das Leben auch mal über alle Stränge und Konventionen hinaus mehr mit privatem Leben, Freunden, neuen Menschen zu tun. Ich freue mich, wenn ich mit Menschen aus meinem Arbeitsumfeld ein Stadium von Vertrautheit und Lebensfreude erreichen kann. Wenn man sich privat kennenlernt. Aber in diesem Kontext brauche ich die Unvernunft nicht zwingend. Erleben will ich sie im Privaten, im engsten Umfeld, manchmal auch anonym in einer unbekanntem Umgebung. Und da kann ich jetzt nur für mich sprechen: ich lebe nicht vernünftig. Sondern genieße, was und wie es kommt. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich selbst „am Tag danach“ unvernünftig fühle. So muss es sein, dann wars perfekt. Auch das hat sich seit Teenagerzeiten nicht geändert 😉

Jedem geht mal „die Vernunft aus“

Als Kind hatte ich oft mal den Eindruck, nicht gerecht behandelt zu werden: immer Verbote, immer geschimpft werden, nie meinen Kopf durchsetzen. Auch – oder natürlich gerade dann – wenn ich recht hatte. Aus meiner heutigen Perspektive muss ich sagen: Kinder wissen nicht immer, was gut und richtig ist. Aber es gibt auch Situationen, in denen eure Eltern, die Großeltern oder die lieben Tanten und Onkel einfach mal mit der Situation überfordert sind. Das kann einfach dadurch passieren, dass der Tag lang und anstrengend war, dass man sich gerade gestritten hat, dass man sich über etwas geärgert hat. Kurz: auch Erwachsene halten sich nicht immer an die selbst gesetzten Regeln, sind nicht immer gerecht, nicht immer fair. Es passiert jedem, dass er mal nicht gut agiert, sich über etwas ärgert, nicht mehr souverän sein kann und sogar ein Stück weit die Kontrolle verliert.

Wichtig ist für Erwachsene und Kinder zu verstehen, dass das in der Situation zwar so ankommt, aber keinesfalls böse gemeint ist – ja, das ist manchmal schrecklich ungerecht! Und als nichterziehungsberechtigte Tante sitze ich dann nebendran und denke: soll ich mich einmischen? Kann ich mich einmischen? Was kann ich sagen, ohne die Situation noch weiter zu eskalieren? Passiert mir in beide Richtungen: denen die Vernunft ausgeht – Kinder, die unvernünftig provozieren.

In diesem Jahr saß ich mal mit den Eltern meiner Patenkinder gerade glücklich in der Sonne, um uns rum Trubel, aber wir waren gerade so schön im Moment angekommen. Erwachsene mögen sowas – als Kind ist das langweilig. Deshalb die Frage „Wer spielt jetzt mit mir?“ Die kleine Schwester ist noch zu langweilig und es sitzen da 3 Erwachsene, jeder ein potentieller Kandidat. „Wir sitzen jetzt erst mal 10 Minuten, lass uns einfach mal in Ruhe.“ Nach gefühlt 30 Sekunden „Aber jetzt gehts lohohos, los, wer spielt mit mir!“ Darauf gabs dann keine klare Antwort, kein einfaches Nein, sondern einen bombastischen Anpfiff. Der aus Sicht des betroffenen 6jährigen und aus meiner nicht wirklich gerechtfertigt war. Etwas zu sehr Anpfiff, etwas zu aggressiv in der Situation – aber passiert. Und es wäre schrecklich, wenn ein Kind sein ganzes Leben lang denkt, das wäre persönlich gemeint gewesen – oder es hätte etwas verkehrt gemacht. Er hat sich so ungerecht behandelt gefühlt, Schnute, „aber ich hab doch gar nix verekhrt gemacht ….!“

Man kann von einem 6jährigen nicht verlangen, die Welt mit den Augen eines gestressten Erwachsenen zu sehen. Und man kann von einem Erwachsenen nicht immer verlangen, dass er Verständnis für alle Bedürfnisse eines Kindes hat. Und trotzdem: die Welt ein bisschen unbeschwerter nehmen, den Stress abschütteln, Dampf an den richtigen Stellen ablassen, sich Zeit für die Kinder nehmen, wenn sie wach sind, das ist alles immer dann möglich, wenn die Energiereserven aufgeladen sind.Wenn die Batterie leer ist sieht es anders aus …

Es gibt keinen Wegweiser für Mama und Papa, Oma und Opa, Tante und Onkel, was wann wie zu tun ist, wenn die Vernunft mal ausgeht. Und auch das muss man wahrscheinlich lernen, gehört zum Prozess des kindlichen Begreifens dazu. Solange es bei Ausrutschern bleibt, alle sich ansonsten an die gesetzten Regeln halten, ist es wahrscheinlich ok. Das Maß sollte es aber nicht werden. Und was ich nie akzeptieren möchte, ist etwas an einem Kind auslassen, nur damit es einem als Erwachsenem besser geht. Was ich nicht toleriere ist Gewalt. Aber ich weiß, dass auch meinen Eltern immer mal wieder die Hutschnur geplatzt ist. Vor allem mit mir als der Ältesten, die sich nicht immer an die Regeln gehalten, häufig die Grenzen ausgetestet und generell immer dagegen geredet hat. Und heute verstehen wir uns so gut – so sollte es sein, oder?