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Vom in den Himmel kommen

Letzte Woche war meine Schwester, Mutter des liebreizenden Kindes, auf einer Fortbildung, beim Zurückkommen wurde sie mit einer neuen Weisheit ihrer 2einhalbjährigen Tochter konfrontiert: wenn jemand stirbt, dann kommt er in den Himmel. Meine Nichte beschäftigt sich aktuell mit Tod und in den Himmel kommen. Welche Gedanken sie dabei bewegen kann man nicht erschließen, aber wenn am Straßenrand ein totes Reh liegt ist jetzt die logische Erklärung: das Reh ist gestorben und im Himmel.

So weit so gut. Auf ihre Frage, wo denn meine Oma sei, habe ich erklärt, dass die Oma, also ihre Uroma, gestorben ist. Antwort: „Dann ist die im Himmel!“ Und auf ihre Frage, ob denn ihre Oma auch tot sei, konnte ich mit nein antworten. Was sie sichtlich erleichtert hat, auch wenn der Himmel ein guter Ort zu sein scheint – die beiden Omas sollen sich so oft möglich und ausgiebig mit ihr beschäftigen, anstatt im Himmel zu sein. Gesunder Egoismus, den ich ganz mit ihr teile!

Themenwoche Sterben

Gerade lese ich auf Spiegel Online einen Brief an die ARD zur aktuellen Themenwoche „Tod und Sterben“ – und merke einmal mehr: so unterschiedlich ist das Empfinden von Menschen. Jeder von uns kommt mit seiner spezifischen Befindlichkeit, fühlt sich von Themen abgeholt oder überrumpelt, mag das Thema oder eben nicht, kann seine eigenen Gedanken dadurch ordnen oder kommt erst ins Nachdenken oder oder oder. Ganz je nachdem, wie und wo man gerade steht.

Tatsächlich habe ich kaum Werbung mitbekommen, bin nicht von einem Aktions-Plakat darauf hingewiesen worden, dass Sterben zum Leben gehört, es jederzeit vorbei sein kann – denn das trifft auf mich wie auf jeden anderen Menschen in meinem Umfeld zu. Schwer zu akzeptieren vor allem bei all denen, die mir wichtig sind.

Mir persönlich hat ein Beitrag in dieser Woche wieder sehr stark die Rolle der „Gesellschaft“ vor Augen geführt. Tod wird in unserer Gesellschaft gerne aus dem Leben ausgeschlossen. Am liebsten würden wir gar nicht damit konfrontiert werden. Dass Menschen alt und bettlägrig werden, senil, krank, auf Hilfe angewiesen sind: am liebsten nicht zu sehr thematisieren. Passt nicht zu unserer Leistungsgesellschaft. Dass Kinder unheilbar krank sind und damit den natürlichen Kreislauf der Generationsabfolge durchbrechen geht gar nicht, Unfälle oder Krankheiten, die ein Leben fordern, machen uns wütend, traurig, sprachlos.

Neben der akuten Trauer kommen aber noch so viele andere Begleitelemente dazu: wie reagiert das Umfeld? Gibt es die Möglichkeit, eine Auszeit zu nehmen, um Abschied zu nehmen? Ist es ein schnelles, überraschendes Sterben oder ein langer Prozess, in dem ein kranker Mensch sich Stück für Stück verabschiedet? …

Es ist schon geballt, eine volle Themenwoche zu einem Tabuthema zu machen und im wahrsten Sinn des Wortes auf allen Kanälen jeden erdenklichen Blickwinkel zu beleuchten. Aber ich sehe es anders, als der Autor des oben angeführten Briefs: ich bin froh, wenn Tabuthemen angesprochen werden. Wenn Menschen daran erinnert werden, dass Sterben zum Leben gehört. Jeder wird – und ich schreibe bewusst nicht muss – schließlich sterben. Das Leben ist begrenzt, für manche auf wenige Jahre, für manche auf viele Jahre. Will ich 100 werden? Ich weiß es nicht. Aber manchmal kann es unser Leben verbessern, wenn wir uns bewusst sind, dass es sich jederzeit ändern oder enden kann. So sehe ich das zumindest – und setze auf meine To-Do-Liste: bewusst leben. Mal sehen, wann ich das erledigt bekomme …