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Momentaufnahme #11

Da ich in den letzten Tagen schlicht weder zum Denken geschweige denn zum Schreiben gekommen bin, weil so viel feierndes Leben um mich war – mehr schreib ich dazu jetzt einfach mal nicht – gibt’s heute eine späte Reflektion zur 11. Frage in den Momentaufnahmen von aequitas et veritas, die da lautet: sagst du anderen die Wahrheit oder wahrst du lieber den Frieden?

Da gibt es die Diplomatin in mir, die vor allem im beruflichen Umfeld durchaus die Fakten auf den Tisch bringt, aber fair. Ich sage also nicht: die Kollegin ist faul, erledigt ihre Aufgaben nicht und bereitet dadurch anderen Mehrarbeit. Obwohl das wahr ist. Sondern ich formuliere es als „mache mir Sorgen um das Projekt, irgendwie ist da der Wurm drin – wir müssen dringend schauen, wo die Probleme liegen und jetzt fokussiert daran arbeiten.“ Das ist jetzt nur eines von vielen Beispielen, aktuell eben. Ich vermute, ich definiere mich immer nur als ein Teil des Ganzen? Teamorientiert eben. Meine Diplomatie wurde zumindest sogar schon von Vorgesetzten zur Hilfe genommen, die mit dieser Gabe nicht so gesegnet sind.

Im engsten Kreis mit Familie und Freunden bin ich meist auch so – aber hin und wieder auch gnadenlos ehrlich. Oder ich bleibe, aus Rücksicht oder Ohnmacht, sprachlos. Das wechselt, je nach Situation, betroffenen Personen und Hintergrund. Hier verhalte ich mich nicht immer diplomatisch, versuche es aber … um des lieben Friedens willen.

Und dann gibt’s die Situationen, in denen ich einfach nur ehrlich sein kann. Das passiert mir oft in einem Umfeld, das ich eher beobachte, als Teil davon zu sein. Und die Beobachtung wird zur Wahrheit. Die aus mir raussprudelt. Das ist mir vor allem in meinen ersten Berufsjahren häufig passiert, wenn man in zwar beruflich bedingten, aber eher in privat anmutende, weil nette Situationen, kommt. Oder mein langjähriger Studentenjob im Service an der Kneipentheke. Da waren zahlreiche Fettnäpfchen auf meinem Weg und ich hab nur wenige ausgelassen 😉

Spruch zum Wochenende: Aus Brasilien

„A melhor coisa do mundo é dia após dia – com uma noite no meio.“ Die Volksweisheit aus Brasilien lautet übersetzt in etwa: Das Beste auf der Welt ist ein Tag nach dem anderen – mit einer Nacht dazwischen. Sehr wahr, wie ich finde – Grüße aus meinem aktuellen Gastgeberland und allen ein schönes Wochenende 🗺

Heimweh

img_4709Als sich die Eltern der beiden jetzt wieder Münchner, aber doch einige Jahre „Schweizer“ Patenkinder für ein Leben anderswo entschieden haben, hatten wir viel Gesprächsbedarf. Ein Umzug mit Kindern bedeutet auch, hinsichtlich der vorher vertrauten Wegbegleiter Sicherheiten schaffen, vorbauen, abstecken. Dass ich ja ein Mensch sei, der Freundschaft auch auf Distanz führen kann, das war beiden sehr wichtig. Der Umzug sollte schließlich die berufliche Karriere vom Herrn Papa fördern, alles andere würde sich schon geben.

Was alle Erwachsenen damals unterschätzt haben: wie stark das Heimweh werden kann. Nach München, nach den hier lebenden Menschen, nach der Muttersprache, nach den Freunden, nach Ritualen … das lässt sich auch nicht auf typische Wahrzeichen Münchens reduzieren, gehört aber alles in den einen riesengroßen Topf von Heimatgefühl. Dazu gehört, beim Bäcker Grüßgott zu sagen und Semmeln zu kaufen. Dazu gehört, das Gefühl zu haben, schnell und jederzeit in den Bergen zu sein. Dazu gehört aber vor allem so viel mehr, was sich gar nicht in Worte fassen oder mit Orten, Plätzen, Festen oder ähnlichem festmachen lässt.

Als die Frau Mama mir dann berichtete, dass sie zurückkomme, mit den Kindern, auch auf die Gefahr hin, eine Fernbeziehung führen zu müssen. Weil es ihr das Herz breche, vor Heimweh. Da wurde sie verstanden. In fast 4 Jahren waren es immer die Kurzaufenthalte in München, die sich nach Heimat anfühlten. Für die ganze Familie.Auch neu geschlossene Freundschaften in der Schweiz haben bei Monsieur niemals denselben Stellenwert besessen, wie seine Münchner Freunde. Jedes Mal hat er Rotz und Wasser geheult, wenn er sich trennen musste.

Wie groß dieses Heimweh war, wie tief die Wurzeln waren, wie schnell sie sich nach dem Zurückkommen im neuen Heim, in der Umgebung, im alten neuen Freundeskreis, im Münchner Jahresablauf, in der Heimatroutine wohlgefühlt haben. Wie glücklich alle 4 waren und sind, seit der Papa wieder in München arbeitet. Wie sehr haben sich die großen 3 „nach Hause“ gesehnt. Und auch Mademoiselle, die ja in der Schweiz geboren ist, wurde so schnell ein Münchner Mädl. Alle sind sie längst angekommen, fragt man heute nach Heimatliebe, bekommt man ein zufriedenes „Wir sind Münchner!“zur Antwort.

Mich beschäftigen diese Gedanken seit einigen Wochen, denn durch die Erkrankung des Patenkinder-Opas hat räumliche Distanz und Nähe einmal mehr eine andere Wertigkeit erhalten. Deshalb möchte ich mit diesem Text auf Andreas Frage zu „Heimat und Heimweh“ antworten und einen Beitrag aus dem Beobachter-Blickwinkel zum Thema „Was würdet ihr an München vermissen?“ für München.de antworten.

 

Sonntagsfreude: Fang mich doch, du Eierloch

Judith Luig resümiert in einem Leidensbericht: Wenn Freunde Eltern werden ist Schluss mit lustig. Das kann ich so nicht unterschreiben. Kommt nämlich schlicht sehr auf die Freunde und deren Kinder an. Ich habe in meinem Freundeskreis durchaus auch Varianten, in denen sich Menschen durch „Kinderkriegen“ verändert haben. Aber eben auch nicht. Gestern hab ich meine Landshuter Freunde nach längerer Zeit besucht. Wie früher, bei ihnen zu Hause. Wir sitzen um den großen Tisch, es wird geredet, erzählt, gelacht, gegessen und getrunken. Alles wie immer. Es sind zwei kleine, neue Menschen dabei. Die zuhören, auf Fragen antworten, lachen, malen, spielen. Mal leise sind, mal nicht. Mal miteinander, mal gegeneinander, mal mit uns. Aber eigentlich ist alles wie immer, einfach nett und entspannt. Klar ändern sich die Themen, Alltag, Beruf, Schule, Kindergarten, Prinzessinnen, Pferde, Urknalltheorien, Harry Potter, ein Periskop und seine Funktionsweise. Gut, die letzte Stunde haben die beiden Jüngsten richtig aufgedreht, und die Lautstärke und Vehemenz von „Fang mich doch, du Eierloch“ fanden die Eltern nach x Wiederholungen nicht mehr lustig. Aber wir waren schließlich alle müde, in dem Alter zeigt sich das eben in aufgedrehtem Übermut. Mir war es einen Satz im Gästebuch wert … 

Und am schönsten finde ich übrigens, dass durch die Kids neue Traditionen entstehen. So standen 3 alte Freunde nach einem gemeinsamen Abend mitten in der Landshuter Altstadt, grinsten sich verschmitzt an und meinten: „Macht durchaus Spaß, mit den Kids aufzudrehen – aber wir genießen jetzt unseren ruhigen, entspannten Heimweg.“Ich freu mich heute noch auf weitere Begegnungen mit alten Freunden, die mittlerweile Eltern sind. Wir treffen uns ohne Kinder. Geht.

Mehr Sonntagsfreude sammelt Rita mit Hand und viel Herz, schaut mal bei ihr vorbei.