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Es muss was Wunderbares sein …

Manchmal katapultieren mich Erlebnisse ohne jegliche Vorwarnung im wahrsten Sinn des Wortes in eine andere Zeit. So geschehen gestern Abend. Im Gärtnerplatztheater. Meine „alte“ Freundin und ich haben eine Operette besucht. Ehrlich gesagt hatte ich ein Sing Along, also ganz was anderes als eine „klassische“ Operette, erwartet. Und war umso begeisterter. Warum? Einmal, weil ich Peter Alexander sowieso immer verehrt habe, ihn in seiner Rolle des Kellners Leopold im Weißen Rössl am Wolfgangssee seit Jahrzehnten als Ohrwurm mit mir trage. Es muss was Wunderbares sein, von dir geliebt zu werden … eines der wenigen Musikstücke, das meiner Meinung nach keine Frauenstimme verträgt. Und Punkt.

Dann war es für uns zwei beide ein wirklich besonderer Abend, einmal mehr ist deutlich geworden, wie sehr uns unsere musikalische Vergangenheit begleitet. Wie sehr jedes Singspiel einer ähnlichen Dramaturgie folgt. Wie ähnlich die Rollen aufgebaut sind – und da haben wir doch die ein oder andere Pose erkannt, die auch wir vor vielen Jahren einstudiert haben? Was haben wir diese göttliche Mischung aus Operette, Revue, Hollareidulljö und Klischee genossen, wie viel haben wir gekichert und gelacht. Aber auch hingerissen gelauscht, wie „unser“ Leopold, Daniel Prohaska, doch ganz schön nah an „unser Original“ Peter Alexander rankommt.

Insgesamt war ich hingerissen, von der schauspielerischen Leistung, dem Orchester, dem Dirigenten – sogar eine bairische Blasmusik wurde zur Begrüßung vom Kaiser im Urlaubsdomizil ins Salzkammergut importiert 😊😉 Und wie sehr man mit den Protagonisten mitfiebert, trotz all dem Kitsch, wie sehr man über den szenischen Hintergrund lachen muss, dem Echo lauscht, kurz: toll gemacht. Zu schade, dass ich das nur für mich aufschreibe, denn ich hätte, obwohl wir für unsere Tickets bezahlt haben, zu gern eine Empfehlung abgegeben. Zu dumm, gestern war schon der letzte Termin der Spielzeit.

Freilufttheater im Hopfenland

Lieber Theaterverein Langenbruck,

P1100425Da habt ihr mir gestern ein schönes Geschenk gemacht. Klar hab ich die Tickets vorher gekauft. Aber an diesem traumhaften Sommerabend Theater Open Air erleben zu dürfen, eine bessere Idee gibt’s schon gar nicht. Gut, die Anreise aus dem Süden in die Hallertau an einem Freitag Abend war wie erwartet staugeprägt – aber hey, bei dem Anblick auf die Hopfengärten, die quasi in den Startlöchern für die Ernte stehen, hält sich mein Frust über das viele Stehen auf der Autobahn in Grenzen.

P1100441Und wie schön es bei euch in Langenbruck ist hab ich gar nicht mehr gewusst. Da steht ja auch St. Kastl im Wald, idyllisch versteckt – gut, dass ihr das kleine Schmuckstück in eure Kulisse integriert habt. Sonst hätte ich mal wieder ganz vergessen, was das für ein besonderer Flecken ist. Wie euer Ortskern, ich war einfach ewig lang nicht mehr da, schön ist es bei euch. Und mir gefallen eure Ideen, ihr habt ums Theater herum Buden mit süßen und herzhaften Speisen aufgebaut,  es gibt sogar ein Fidel-Wirtshaus mit Hopfenzupfermahl, natürlich Bier und bei den heißen Temperaturen Kaltgetränke. Herz, was willst du mehr, so ein Sommerabend im Herzen der Hallertau, gefällt mir alles richtig gut.

P1100427Dann spielt ihr den Fidel, den ich aus gutem Grund in und auswendig kenne. Ein bisschen anders ist es bei euch, ihr habt nicht Sänger ausgewählt, die schauspielern dürfen, sondern habt eure Schauspieler zur Stimmbildung geschickt. Was eine Herausforderung ist, die man den Protagonisten schon auch anmerkt. Aber: das Ergebnis zählt. Wie schon vor 3 Jahren geschrieben: der Fidel ist ein Erlebnis, ein Lebensgefühl über Monate, das muss rüberkommen. Und das allein zählt.

P1100453Mir hat es großen Spaß gemacht, jeden einzelnen von euch auf der Bühne zu beobachten und zu erleben. Mit euch zu grinsen, ein bisschen mitzusingen. Auch das macht Spaß. Besonders gelungen ist, dass die Hopfenzupfer schon am „Arbeiten“ sind und das Publikum beim Einlass in dieser wunderschöne Szenerie ankommt, zum Teil wird. Die letzte Hopfenrebe fällt in die Hände des Fidel, dem Sichbauern und seiner Frau glaubt man die verliebten Gefühle nach 30 Jahren „in Wort und Tat“, die vielen Kinder auf der Bühne sind so herrlich authentisch, und Reserl und Fidel dürfen am Ende so viel knutschen (klappt trotz Headset), herrlich schön war’s.

P1100435Vor allem das Open Air Gefühl, unterm Sternenhimmel sitzen, mit vielen Menschen gemeinsam lachen, mit dem verschmähten Liebhaber mitleiden – und sich am Ende freuen, dass doch „das treue Herz und die zwei starken Arme“ über jeglichen Reichtum triumphieren. Hach. Mein Herz tanzt – zu den Takten der bayerischen Operette 🙂 Schade, dass ihr heute schon eure letzte Aufführung spielt, sonst hätte ich euch zu gerne weiterempfohlen – toi, toi, toi für heute Abend und viel Spaß beim anschließenden Feiern. Falls doch jemand nach Infos suchen möchte, hier findet sich alles im Überblick.

Der Holledauer Fidel

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Quelle: http://www.holledauer-fidel.de

Im Jahr 1920 wurde ein niederbayerisches Singspiel uraufgeführt, eine Operette in 3 Akten. Die Handlung des Fidel ist schnell erzählt: armer Hopferzupfer aus dem Bayerischen Wald verliebt sich in reiche Bauerstochter, die hat jedoch eine bessere Partie im Sinn. Eine Brautschau später besinnt sie sich darauf, was wirklich wichtig ist: „zwei starke Arme und ein treues Herz“, Reserl und Fidel verloben sich. Der Komponist Erhard Kutschenreuter lebte in der Hallertau und im Bayerischen Wald, er machte aus dem Operettentrend der Jahrhundertwende und Holledauer bzw. bairischen Volksweisen eingängige Meldodien und griff die Irrungen und Wirrungen auf, die so zum Leben und Lieben dazugehören. Zwei der Musikstücke aus dem Fidel sind gar nicht mal so unbekannt, der Waldlermarsch und der Holledauer Marsch werden in Festzelten mit Blasmusik weit über die Holledau hinaus gespielt, auf dem Münchner Oktoberfest höre ich sie ziemlich oft. F.J. Scherrer war Librettist, also Texter, ihm sind einige äußerst humorvolle Passagen im Text zu verdanken, ich würde sagen, auch die „Geheimnisvolle Himmelsmacht der Liebe“ geht wohl auf ihn zurück.

Mit dem Fidel verbinden mich 2 Jahre, 2 Sommer meines Lebens. Ich hatte das große Glück, nicht nur am „eigentlichen“ Fidel aktiv dabeizusein, sondern meine Premiere 1995 bei einer sehr seltenen Aufführung der Fortsetzung „Der Holledauer Fidel – Neuigkeiten vom lustigen Fidel und der ehrengeachteten Familie Wurmdobler in vier Aufzügen“, die 1931 uraufgeführt wurde, in Au zu feiern. Ich habe die Reihenfolge quasi umgekehrt mitgemacht, erst die Fortsetzung, dann 1999 den eigentlichen Fidel gesungen. Das an und für sich ist noch keine Besonderheit, schließlich standen sowohl 1995 als auch 1999 einige mit mir auf den Brettern, die die Welt bedeuten, die schon in den 50er Jahren, damals als Kinder, mit dabei waren. Das Besondere am Fidel war und ist, dass man von Anfang an lebendiger Teil des Stücks wird. Binnen kürzester Zeit wachsen alle Mitwirkenden zusammen. Man wird Teil einer großen Familie. Fidel-Zeiten sind Ausnahmezeiten. Es steckt sehr viel Arbeit und Vorbereitung darin, es ist kein bloßes Theaterstück, es geht um Singen, Spielen, Leben. Man verlässt eine Zeitlang sein eigenes, modernes Ich und wird zur Figur des Stücks, bringt seinen eigenen Charakter ein, dennoch verschmelzen die Persönlichkeiten. Und es macht eine irre Freude, auf einer tollen Bühne zu stehen, zu singen, zu spielen, das Publikum für ein paar Stunden in diese andere Welt mitzunehmen.

P1130202Gestern war ich mittlerweile zum 3. Mal seit meinen eigenen Bühnenerlebnissen in einer Aufführung des Fidel, habe mehr als 100 Mitwirkenden zuschauen dürfen, wie sie die vergangene Zeit lebendig werden lassen, wie sie ihre Persönlichkeiten im Singspiel einbringen und es sehr genossen. Natürlich werden da eigene Erinnerungen wach, an die Aufregung, die unterschiedlichen Erlebnisse, Besucher, Erfolge. P1130235Vor allem an die unvergessliche Zeit, das waren ganze Sommer, die wir gemeinsam verbracht haben, lange, zum Teil sehr lange Nächte nach den Aufführungen. Unvergesslich bleibt die Zeit … In Siegenburg haben die Mitwirkenden jetzt nach monatelangem Proben ihre ersten 3 Aufführungen hinter sich, die Woche wird Luft geholt, ehe es an den nächsten beiden Wochenenden noch mal auf die Bühne geht. Alle Darsteller sind auch hier Laien, das macht den besonderen Charme aus. Nicht jeder Ton wird perfekt getroffen, ich finde gut, dass die Sänger an manchen Stellen nicht stur den Noten folgen, sondern so manche alternative Melodie ausgewählt haben. Mir gefällt auch, wie der ein oder andere seiner Rolle an manchen Stellen einen eigenen Text und damit eine eigene Note verpasst hat.

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Bühnenbild beim Holledauer Marsch
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Fidel und Reserl
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Kinderchor
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Der Waldlermarsch

Die Siegenburger spielen im Vergleich zu uns in Au auf einer winzigen Bühne, und trotzdem passen alle Mitwirkenden irgendwie drauf. Der Stolz dabei zu sein sprüht jedem aus den Augen, wie im Sport ist Dabeisein alles. Da wird vieles möglich gemacht. Ich habe die Stunden sehr genossen. Der Fidel und sein Reserl sind bezaubernd, dabei sehr natürlich. Sie mussten sich auf ihre Rollen einlassen – und das gelingt beiden sehr gut. Dem Sichbauern und seiner Frau merkt man an, dass sie gut aufeinander eingespielt sind, kein Wunder, die beiden kennen sich seit Schulzeiten, haben schon in alten Tagen gemeinsam Musik gemacht. Das weckt Erinnerungen. Mir haben alle Darsteller sehr gut gefallen, auch wenn – und das gebe ich gerne zu – ich natürlich meine Maßstäbe ansetze und immer noch meine eigenen Mitstreiter aus dem Jahr 1999 für die perfekte Besetzung halte. Aber jeder neue Darsteller bringt eine neue Facette zum Leuchten, die es wieder schön macht, das Stück, das ich auch heute noch so gut wie auswendig kenne, anzuschauen und immer wieder etwas Neues zu entdecken. So ging es mir im Herbst 2000 in Moosburg und 2010 in Au. Und jetzt in Siegenburg. Zuschauen macht auch sehr großen Spaß, man muss nicht auf der Bühne dabei sein, um dabei zu sein – auch wenn man hin und wieder zumindest mitsummt und bei der Zugabe auch mal laut in den Chor einstimmt.

Wer mehr über den Fidel nachlesen möchte oder vielleicht in der Gegend wohnt und eine Aufführung sehen möchte empfehle ich die Website zum Holledauer Fidel 2013. Aufführungen noch bis zum 22.9.2013. P1130204

Allen Mitwirkenden wünsche ich weiterhin eine erfolgreiche und unbeschwerte Zeit, hoffentlich wird keiner krank, denn alle machen das ohne Zweitbesetzung.

Es riecht nach frischem Hopfen in der Holledau

Es ist Hopfenzupfzeit, das riecht und sieht man, in der ganzen Holledau. Am Wochenende bin ich auf verschiedenen Wegen (Autobahn, Landstraßen) durchgefahren und hab geschnuppert, es ist herrlich! Anders als in vergangenen Zeiten, an die ich mich noch aus meiner Kindheit erinnern kann, wird der Hopfen heute sehr modern, technisch gut gelöst, mit bei weitem geringerem Einsatz von Arbeitskraft geerntet. Ein Traktor, ein Fahrer, ein Abreißgerät, der Hopfen direkt auf den Wagen. Auch im Betrieb braucht man nur noch einen, der in die Maschine einhängt, einer schaut, dass der abgefüllte Sack nicht überläuft. Trotzdem helfen alle mit, es ist eine anstrengende Arbeit.

20130817-212842.jpgAuch wenn sich vieles verändert hat, unverändert bleibt der Duft, der ganz besondere Geruch, der in der Luft hängt, an den ich mich seit Kindertagen erinnere und den ich jedes Jahr herbeisehne. Wie das riecht? Süß und gleichzeitig herb. Etwas bitter. Vielleicht wie eine Mischung aus frisch gemähter Wiese mit vielen Kräutern drin, dazu wie durchs wirbelnde Laub laufen, dazu noch eine Prise frischer Baumschnitt, das alles gut abgeschmeckt. Und noch etwas herber – oder so. Dieser besondere Geruch bedeutet für mich das Ende des Sommers, den Beginn des Altweibersommers, den Übergang zum Herbst. Wenn ich ihn mal ein Jahr verpasse bin ich ein Stück weit orientierungslos, etwas fehlt. Bin ja gebürtige beziehungsweise aufgewachsene Holledauerin (Hallertauerin). Meine Heimat ist eine Region, gelegen in Teilen Ober- und Niederbayerns. Dazu gehören ganz grob die Landkreise Freising, Pfaffenhofen, Kehlheim, Landshut und Eichstätt. Aufgewachsen bin ich an der südöstlichen Grenze, kurz vor Moosburg, die Stadt wird gern (wie Ingolstadt, Schrobenhausen, Kelheim oder Freising auch) als eines der Tore in die Hallertau bezeichnet. Die Holledau ist das größte zusammenhängende Hopfenanbaugebiet der Welt mit 15 Siegelbezirken (ich bin nicht sicher, ob die Zahl stimmt, da ich mich sehr wundere, dass Hersbruck auf Wikipedia zur Hallertau gezählt wird, insofern: bitte korrigiert hier gerne).

Neben der Hopfenernte, die gerade läuft, zugegebenermaßen so, wie auch in den anderen deutschen Hopfengebieten Spalt, Hersbruck und Tettnang, rühmen wir Holledauer uns gerne, ein besonderer Menschenschlag zu sein. Nicht nur Bayern, nicht nur Ober- oder Niederbayern, sondern eben Holledauer. Trinkfest, gesellig, menschenfreundlich, fleissig, kontaktstark, musikalisch – deshalb gibts sogar Lieder auf den besonderen Flecken Erde, den der liebe Gott für diesen besonderen Menschenschlag geschaffen hat, zum Beispiel eine Volksweise, das „Holledauer Lied“:


Da nicht jeder den Text verstehen wird fasse ich das in eigenen Worten und etwas verkürzt zusammen: als Gott die Welt erschuf fiel ihm am 7. Tag auf, dass noch etwas fehlte und er schaffte den schönsten Fleck der Welt, die schöne Holledau. Mit sanften Hügeln, dem Fluss Abens und dem wunderbaren weißblauem Himmel. In einer kleinen Bergkapelle wurde mal ein Schimmel versteckt, leider hat er es nicht überlebt, aber seine Geschichte wird noch heute in Liedern und Theaterstücken weitererzählt. Wer Hopfen nicht kennt, kennt die Arbeit nicht, die er macht, aber sein Erzeugnis: das beste Bier der Welt wird mit Holledauer Hopfen gebraut. Am Lebensende geht der Holledauer nach einem arbeitsreichen Leben gern in den Himmel, schaut von dort aus gerne liebevoll auf seine Heimat herab, die im Leben viel Mühe, aber auch viele schöne Momente geschenkt hat.

Ja, der Holledauer ist stolz, ein besonderer Menschenschlag. Und nicht nur das: der Komponist Erhard Kutschenreuter hat den Hallertauern sogar ein eigenes Nationalepos, eine Operette, ein niederbayerisches Singspiel in 3 Akten hinterlassen. Das zur Hopfenzupfzeit im Markt Siegenburg aufgeführt wird und dieses Wochenende Premiere gefeiert hat: der Holledauer Fidel 2013. Dazu bald mehr.