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Paula und die Wartezeit – Vorlesegeschichten aus der Nachbarschaft

Seit ein paar Monaten scheint es Paula manchmal ein bisschen komisch, denn die Menschen rundum sprechen immer wieder davon, wann endlich wieder alles normal ist. Grade neulich hat Herrchen Andi ihr auf der täglichen Gassirunde erklärt, wie sehr „das alles“ sein normales Leben verhindert. Die Nachbarsmädels fluchen oft laut und vernehmlich durch die ganze Siedlung über dieses „Scheiß-Corona„.

Wenn Paula so nachdenkt, dann hat sich gar nicht so arg viel verändert. Sie darf täglich Gassi gehen, nach wie vor muss sie das auch bei schlechtem Wetter tun, auch wenn sie das gar nicht so toll findet, weil sie danach immer so schmutzig ist. Die Kinder und Enkelkinder von Herrchen und Frauchen kommen seltener zu Besuch, aber wenn sie kommen ist alles noch ein bisschen intensiver als vorher. Das findet Paula schön, dass alle so viel kuscheln und knuddeln und so viel miteinander lachen.

Dass Herrchen und Frauchen nicht in Urlaub geflogen sind fand Paula klasse – so musste sie nicht allein in ihre Ferienunterkunft. Eigentlich haben sie in den letzten Monaten viel öfter alle zusammen schöne Ausflüge gemacht und rundum ganz viele neue Spazierwege entdeckt. Und was Paula gar nicht vermisst, ist mit Herrchen und Frauchen ins Restaurant gehen. Nein, unter dem Tisch liegen, sich von Artgenossen ankläffen lassen und Wasser aus einem Napf angeboten bekommen, aus dem schon unzählige vor ihr geschlabbert haben, iiiihgitt. Essen rundherum bestellen, abholen und zu Hause genießen, das ist der Hundedame viel lieber. Oder selber kochen, da lachen Herrchen und Frauchen oft und viel, wenn irgendwas nicht so klappt, wie es im Rezept steht …

Heute sitzt sie an einem sonnigen Plätzchen und belauscht die Nachbarsmädels. Die philosophieren mal wieder. Die Große erklärt der Kleinen gerade, dass es Fliegen gibt, die nur einen einzigen Tag leben, „die heißen ja auch Eintagsfliegen. Stell dir vor, wenn die bis morgen warten, damit alles wieder normal ist. Das wär ganz schön blöd, oder?“ „Das stimmt, das wär sogar total blöd, weil dann haben sie ihr ganzes Leben mit Warten verbracht …“ Die zwei Schwestern grinsen, froh, dass sie genau in diesem Augenblick im Garten spielen können.

Und auch Paula lächelt, denn auch sie hat verstanden, dass die meisten Menschen zwar die Wartezeit nervig finden, aber eigentlich ganz gut klarkommen. „Weißt du was?“ erklärt sie einer Fliege, die sich auf einem Blatt ganz in der Nähe niedergelassen hat. „Auch wenn es gerade vielleicht nicht so normal wie normalerweise ist, nutz deine Lebenszeit und warte nicht auf irgendwas. Was ist schließlich schon normal? Nur das, was jeder einzelne von uns definiert oder draus macht – oder?“

Schreibprojekt 2021 – Momentaufnahme #2

Im Mitmachprojekt stellt Aequitas et Veritas die zweite Frage: Wie gehst du mit Scheitern um – deinem eigenen und dem von anderen?

Spannend, denn durch die Frage wird implizit bereits die Definition von Scheitern mit etwas Negativem assoziiert? Und da fühle ich mich doch gleich doppelt herausgefordert, herauszufinden, ob es auch eine andere Betrachtungsweise für den Begriff Scheitern gibt. Sucht man also nach dem schwachen Verb scheitern, dann bekommt man als Bedeutungen:

1. ein angestrebtes Ziel, einen Plan o. Ä. nicht erreichen

2. keinen Erfolg haben

3. misslingen, missglücken, fehlschlagen

Sucht man weiter, kommt es zu einer Herkunft bzw. einer Herleitung des Wortes aus dem 17. Jahrhundert: aus „zerscheitern“, also in Stücke (Scheite bzw. Scheiter) gehen. Und daraus leite ich jetzt einfach mal ab, dass für mich Scheitern nicht ausschließlich negativ zu verstehen ist, Teile klappen. Vielleicht ist das auch schon ein Teil der Antwort: ich suche immer nach positiven Aspekten …

Das kann ich besonders gut, wenn für einen anderen etwas nicht ganz so klappt, wie er es sich gewünscht hat. Oder wie andere es von ihm erwartet haben. In dem Kontext gelingt es mir spielend, so viele positive Aspekte herauszufinden, dass sie das, was nicht geklappt hat, locker überwiegen.

Wenn ich etwas von einem anderen erwartet habe und das scheitert? Kommt es drauf an. Da fällt es mir unter Umständen nicht ganz so leicht, die positiven Aspekte herauszufinden. Aber ich gebe mir auf alle Fälle Mühe. Auch dann, wenn das Gegenüber möglicherweise zu viel versprochen hat …

Wenn jemand eine Erwartung an mich formuliert, die ich nicht erfüllen kann – kommt drauf an. Wenn ich es mir selbst zutraue und ich schaffe es nicht, dann nehme ich das so, bemühe mich trotzdem, um zumindest so viel möglich hinzubekommen. Wenn ich es von vornherein so einschätze dass ich es nicht oder nicht zu 100 Prozent kann, dann kommuniziere ich das auch entsprechend. Das empfinde ich nicht als Scheitern.

Ja, wenn ich mir ein Ziel setze – was nicht oft vorkommt, da ich nicht so viel plane – und das klappt nicht? Dann denke ich drüber nach, warum es misslungen ist. Und mache für ein mögliches nächstes Mal tatsächlich einen Plan. An den ich mich dann hoffentlich im Fall der Fälle erinnere. Denn einen Fehler zwei mal machen? Das empfinde ich wohl als Scheitern im wörtlichen Sinn.


Mehr zur Mitmachaktion „Momentaufnahmen“

Spruch zum Wochenende: Warten

„Warten ist ein Geisteszustand. Grundsätzlich bedeutet es, dass du die Zukunft willst; du willst nicht die Gegenwart. Du willst nicht das, was du hast, du willst das, was du nicht hast. Mit jeder Art von Warten schaffst du unbewusst einen inneren Konflikt zwischen deinem Hier und Jetzt, wo du nicht sein willst, und der projizierten Zukunft, wo du sein willst. Das reduziert die Qualität deines Lebens gewaltig, weil du die Gegenwart verlierst.“ (Eckhart Tolle)

Deshalb: #DashiersinddiegutenZeiten, auch wenn die Woche mit einem Knall gestartet ist und das Leben einmal mehr gezeigt hat, wie wertvoll es ist. Und dass es weiter gelebt werden will. Punkt.

Später

Kennt ihr auch so unendlich viele Situationen, in denen ihr Wünsche, Pläne, Ideen usw. auf „später“ verschiebt? Mir ist in den vergangenen Jahren aufgefallen, dass mir durch das hohe Arbeitspensum, das ich hatte, immer mehr die Kraft für das Jetzt gefehlt hat. Und passend zu meinen Gedanken sind mir diese Worte begegnet – hört es euch an. Da steckt viel Stoff zum Nachdenken drin: