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Musik am Mittwoch: In diesem Moment

„In diesem Moment geht irgendwo die Sonne auf, nimmt ein Schicksal seinen Lauf, erlischt irgendwo ein Stern, scheint das Glück unendlich fern. Werden Zwillinge geboren und Liebeslügen geschworen. Werden Hoffnungen zerstört und ein Gebet erhört.

Und irgendwo wirds gerade Sommer und anderswo schon Herbst, und Menschen glauben fest daran, dass ihre Jugend wiederkehrt.

Und als einer von Millionen steh ich hier und schau nach oben, frag, wo du gerade bist und wie es da wohl ist. Und als einer von Millionen, der an Erinnerungen hängt, fühl ich dass du gerade hier bist, in diesem Moment. In diesem Moment.

Schließen Augen sich für immer, scheint ein kleiner Hoffnungsschimmer. Wird ein geschenktes Herz zur Last und durch Mitleid Geld gemacht. Wird ein Mensch zum Kampf gedrillt und ein Diktator altersmild. Wird die große Chance verpasst und am Sterbebett gelacht. Und hinterm Licht wartet ein Tunnel und am Tunnelende Licht. Nur, dass ein Plan dahinter steckt, zeigt sich für mich nicht.

Fragen nach dem großen Sinn, der die Welt durchzieht, versenden sich im All und schwingen mit in jedem Lied.

Und als einer von Millionen steh ich hier und schau nach oben. Frag, wo du gerade bist und wie es da wohl ist. Und als einer von Millionen, der an Erinnerungen hängt, fühl ich, dass du gerade hier bist – in diesem Moment.“ (Roger Cicero)

Viel zu früh, ach Roger, ich wär so gern mit dir und deiner Musik noch ein Stück weit meinen Weg gegangen. Als einer von Millionen steh ich heute hier und schau nach oben – und wünsch dir, dass es gut ist, da, wo du jetzt bist. Zum Glück hast du weiterhin eine große Auswahl an Duett-Partnern …

Spruch zum Wochenende: Erlösung

Eine meiner alten Chorfreundinnen ist gestern gestorben. In diesem Fall bezieht sich alt nicht nur auf eine langjährige Beziehung, sondern auch auf ihr Alter, sie ist fast 81 Jahre alt geworden. Allerdings war ihr kein schönes Altern geschenkt, sie war schwer krank, ist von ihrer Depression am Leben und vor allem am Glücklichsein gehindert worden. Ich widme meinem lieben Marerl meinen Spruch zum Wochenende:

„Einschlafen dürfen, wenn man müde ist und eine Last fallen lassen dürfen, die man sehr lange getragen hat, das ist eine köstliche, eine wunderbare Sache.“ (Hermann Hesse)

Ich bin traurig, aber gleichzeitig froh, denn der Tod war eine Erlösung für sie.

Es hört sich komisch an, aber ich habe mit dieser Mitteilung lange gerechnet, sie einige Jahre gefürchtet, in den letzten Jahren immer wieder fest damit gerechnet. War oft verwundert, dass sie weitergelebt hat, obwohl sie alles getan hat, um nicht mehr zu Leben …? Bei unserem Kennenlernen war ich ein Teenager, neu im Chor, wir Jungen wurden von den älteren Semestern gerne an den Rand gedrängt. Sie wollten uns nicht, und das haben sie uns deutlich zu verstehen gegeben. Nicht so das Marerl. Was hab ich dieses kleine Powerbündl von Frau mit den Jahren lieben und bewundern gelernt. Eine kleine Frau, damals schon im reifen Alter. Zumindest hat sie sich gern so bezeichnet. Lebenslustig und warmherzig von oben bis unten, immer lächelnd, immer freundlich, immer offen für uns Junge. Immer mit einem offenen Ohr, aber auch mit offenen Worten gegen die anderen Chormitglieder. Sie hat sich nie gescheut, für uns, speziell für mich Partei zu ergreifen. Und war dabei ehrlich, aber liebevoll. Sie hat sich nie im Ton vergriffen, sondern hat ihre Sichtweise neutral beigetragen. Ich habe viel von ihrer diplomatischen Art gelernt.

Freitag für Freitag haben wir uns gesehen, geplaudert, gelacht, erst in späteren Jahren habe ich entdeckt, wie oft es ihr eine Last war, uns allen dieses unbeschwerte Leben vorzuleben. Wie diese andere Seite, das Schwere, sie eingeschränkt hat. Auch mit ihrem Mann habe ich eine freundschaftliche Beziehung führen dürfen, ein Sonderling, ein Eigenbrötler. Dem sein zu Hause, der Garten, die Familie genug war. Der nicht gerne unter Menschen war. Wenn ich zu Besuch gekommen bin hat er mich liebevoll in den Arm genommen, sich gerne zu uns gesetzt, einen Tee mit uns getrunken, zugehört und auch gerne erzählt. Meistens ist er nach einer Stunde spätestens wieder verschwunden. Nur einmal ist er lange sitzengeblieben und hat aus seinem Leben berichtet, hat mir von seiner Zeit in der Kriegsgefangenschaft erzählt. Neutral, ohne Schmerz. Aber doch ganz deutlich, wie sehr ihn diese Phase seines Lebens bis heute begleitet, wie oft er nachts aus Alpträumen erwacht. Schweißgebadet und erschöpft!

Die beiden haben sich sehr geliebt, doch das Leben hat es ihnen nicht leicht gemacht. Beide haben sich Kinder gewünscht und es lange erfolglos probiert. Erst spät haben sie einen Sohn bekommen, auf dem nun alle Erwartungen lagen. Wie schwer es für sie gewesen sein muss, zu erkennen, dass er immer erwachsener wurde, sie irgendwann nicht mehr gebraucht wurden? Sie als Mutter und Hausfrau muss sich überflüssig gefühlt haben, nutzlos …

Meine Eltern erinnern sich, wie das Marerl lachend, strahlend und wirbelnd der Star jeder Veranstaltung war. Vor allem auf den Faschingsbällen war sie eine Stimmungskanone, auf Theaterbühnen hat sie jeden an die Wand gespielt. Dabei musste sie sich diese Aktivitäten erstreiten, wollte ihr Mann doch am liebsten, dass sie mit ihm zu Hause bleiben sollte. Nur sie beide. Ganz für sich. Immer wieder hat sie mir von ihren häuslichen Kriegen berichtet, von den Phasen, in denen sie sich durchgesetzt hat, in denen er unglücklich war. Und von den Phasen, in denen sie ihm zuliebe verzichtet hat und ihn zufrieden gemacht hat, um selbst unglücklich zu sein.
Vor einigen Jahren ist er gestorben, alle haben erwartet, dass das Marerl aufleben würde. Dass sie ihre Wünsche und Träume lebt, reist, unter Menschen geht … Doch stattdessen hat die Depression sie schon damals von uns allen weggeholt, hat sie gar nicht mehr zu sich kommen lassen, sie am Leben gehindert.

Sie ist gestern erlöst worden. Sie war ein tiefgläubiger Mensch, hat von ihrem Glauben immer gern als dem reinen, tiefen und unverfälschten Glauben eines Kindes gesprochen. Deshalb bin ich heute sicher, dass sie gestern von ihrem Schutzengel abgeholt wurde und schon heute vom Paradies auf uns alle herunterblickt. Mit ihrem so liebevollen und unvergesslichen Lächeln.

Berührend

Und wenns noch so kommerziell genutzt wird: mich berührt die Geschichte eines fast 100jährigen, der bei einem Wettbewerb ein Lied an bzw. für seine verstorbene Frau Lorraine einreicht. Einen Liedtext, in dem es um 75 gemeinsame, glückliche Jahre geht – und um die Hoffnung auf ein Wiedersehen im nächsten Leben, im Paradies, auf die Fortsetzung dieser großen und allumfassenden Liebe. Ich finde die Geschichte zauberhaft, diesen Mann wunderbar und das Denkmal, das er seiner verstorbenen Frau und ihrer gemeinsamen Zeit mit dem Song setzt schlicht und einfach berührend. Wer mitfühlen mag, hier gehts zum Video:

Paradiesisch

Gestern hab ich meine beste Freundin gesehen, ein seltenes Geschenk, das für sich gesehen schon unendlich wertvoll ist. Und beim Abholen ihrer Eltern vom Vatertagsausflug habe ich einen Blick ins Paradies auf Erden erhaschen dürfen – so darf meins sein: Ein großer Garten, von der Straße führt eine lange Zufahrt ins Grundstück, Sichtschutz durch Büsche, Bäume, große Steinquader. Wiesen und Rasenflaechen. Alles sehr aufgeräumt, aber dennoch Natur. Dann kommt man am Häuschen an, davor wir früher auf den Dörfern eine Linde mit Bankerl drumrum. Sehr einladend. Direkt daneben ein Kinderspielplatz, mit allem was da sein muss: Schaukel, Rutsche, Klettergerüst, Sandkasten. Dahinter ein Rondell mit Bänken, in der Mitte der Lagerfeuerplatz. Hinter dem Haus Tische und Bänke mit den Gästen, der Kommunikationsort. Dann aber beginnt erst die eigentliche Gartenanlage: unter den Bäumen Liegestühle mit Blick auf den See, mit einem kleinen Boot, Steg, vielen Sitzgelegenheiten. Der tiefste Punkt der Anlage, alles läuft auf den See zu oder vom See aus. Im Hintergrund der Hügel, schön angelegt, man ahnt, dass hier über lange Jahre eine Pflanze neben die andere gesetzt wurde, mit Liebe und viel Freude am harmonischen Einklang oder Begeisterung für wilde Akzente. Hier stehen Buchsbäume, die der Anlage eine Parkähnliche Ausstrahlung verleihen, etwas weiter blüht eine Wiese voll ungebändigtem Löwenzahn. Am See sind unter einer Pergola mit gerade beginnendem Blauregen noch mal Tische aufgebaut, sehr einladend. Oder man setzt sich wirklich aufs noch warme Teakholz und beobachtet die Fische, die nach einiger Zeit neugierig auftauchen.
Gestern haben sich in diesem Paradies Freunde und Familie getroffen, Alt und Jung, friedlich vereint. Sie haben den Feiertag gemeinsam verbracht, haben Freizeit genossen. Es gab viel Essen, genug zu trinken – und in der traumhaften Umgebung durfte jeder tun und lassen, worauf er Lust hatte. Die alten Freunde sassen um den Tisch, sie haben gemeinsam gegessen und getrunken, das Leben gefeiert, auf die alten Zeiten angestoßen, sind in Erinnerungen geschwelgt. Daneben haben die kleinen Gäste gespielt, waren ganz versunken in Phantasie und die Möglichkeiten in der Natur, weitab von Straßen oder anderen Gefahren. Sicher! Und auf der Schaukel oder am Trampolin hat auch der ein oder andere Opa noch mal dem Kind in sich freien Lauf gelassen.
Und für die Ruhe zwischendurch gabs ein Nickerchen auf einem der Liegestühle. Mit Blick auf See und Himmel. Brauchts mehr zum Glücklichsein? Da fehlt nicht viel, denn sogar das Wetter war perfekt: Sonne, blauer Himmel, ein angenehmer Windhauch. Vollkommen macht es die Freundschaft, die die Menschen verbindet, die hier zusammenkommen und den Augenblick gemeinsam im Hier und Jetzt erleben.