Schlagwort-Archive: nationalepos

Freilufttheater im Hopfenland

Lieber Theaterverein Langenbruck,

P1100425Da habt ihr mir gestern ein schönes Geschenk gemacht. Klar hab ich die Tickets vorher gekauft. Aber an diesem traumhaften Sommerabend Theater Open Air erleben zu dürfen, eine bessere Idee gibt’s schon gar nicht. Gut, die Anreise aus dem Süden in die Hallertau an einem Freitag Abend war wie erwartet staugeprägt – aber hey, bei dem Anblick auf die Hopfengärten, die quasi in den Startlöchern für die Ernte stehen, hält sich mein Frust über das viele Stehen auf der Autobahn in Grenzen.

P1100441Und wie schön es bei euch in Langenbruck ist hab ich gar nicht mehr gewusst. Da steht ja auch St. Kastl im Wald, idyllisch versteckt – gut, dass ihr das kleine Schmuckstück in eure Kulisse integriert habt. Sonst hätte ich mal wieder ganz vergessen, was das für ein besonderer Flecken ist. Wie euer Ortskern, ich war einfach ewig lang nicht mehr da, schön ist es bei euch. Und mir gefallen eure Ideen, ihr habt ums Theater herum Buden mit süßen und herzhaften Speisen aufgebaut,  es gibt sogar ein Fidel-Wirtshaus mit Hopfenzupfermahl, natürlich Bier und bei den heißen Temperaturen Kaltgetränke. Herz, was willst du mehr, so ein Sommerabend im Herzen der Hallertau, gefällt mir alles richtig gut.

P1100427Dann spielt ihr den Fidel, den ich aus gutem Grund in und auswendig kenne. Ein bisschen anders ist es bei euch, ihr habt nicht Sänger ausgewählt, die schauspielern dürfen, sondern habt eure Schauspieler zur Stimmbildung geschickt. Was eine Herausforderung ist, die man den Protagonisten schon auch anmerkt. Aber: das Ergebnis zählt. Wie schon vor 3 Jahren geschrieben: der Fidel ist ein Erlebnis, ein Lebensgefühl über Monate, das muss rüberkommen. Und das allein zählt.

P1100453Mir hat es großen Spaß gemacht, jeden einzelnen von euch auf der Bühne zu beobachten und zu erleben. Mit euch zu grinsen, ein bisschen mitzusingen. Auch das macht Spaß. Besonders gelungen ist, dass die Hopfenzupfer schon am „Arbeiten“ sind und das Publikum beim Einlass in dieser wunderschöne Szenerie ankommt, zum Teil wird. Die letzte Hopfenrebe fällt in die Hände des Fidel, dem Sichbauern und seiner Frau glaubt man die verliebten Gefühle nach 30 Jahren „in Wort und Tat“, die vielen Kinder auf der Bühne sind so herrlich authentisch, und Reserl und Fidel dürfen am Ende so viel knutschen (klappt trotz Headset), herrlich schön war’s.

P1100435Vor allem das Open Air Gefühl, unterm Sternenhimmel sitzen, mit vielen Menschen gemeinsam lachen, mit dem verschmähten Liebhaber mitleiden – und sich am Ende freuen, dass doch „das treue Herz und die zwei starken Arme“ über jeglichen Reichtum triumphieren. Hach. Mein Herz tanzt – zu den Takten der bayerischen Operette 🙂 Schade, dass ihr heute schon eure letzte Aufführung spielt, sonst hätte ich euch zu gerne weiterempfohlen – toi, toi, toi für heute Abend und viel Spaß beim anschließenden Feiern. Falls doch jemand nach Infos suchen möchte, hier findet sich alles im Überblick.

Es riecht nach frischem Hopfen in der Holledau

Es ist Hopfenzupfzeit, das riecht und sieht man, in der ganzen Holledau. Am Wochenende bin ich auf verschiedenen Wegen (Autobahn, Landstraßen) durchgefahren und hab geschnuppert, es ist herrlich! Anders als in vergangenen Zeiten, an die ich mich noch aus meiner Kindheit erinnern kann, wird der Hopfen heute sehr modern, technisch gut gelöst, mit bei weitem geringerem Einsatz von Arbeitskraft geerntet. Ein Traktor, ein Fahrer, ein Abreißgerät, der Hopfen direkt auf den Wagen. Auch im Betrieb braucht man nur noch einen, der in die Maschine einhängt, einer schaut, dass der abgefüllte Sack nicht überläuft. Trotzdem helfen alle mit, es ist eine anstrengende Arbeit.

20130817-212842.jpgAuch wenn sich vieles verändert hat, unverändert bleibt der Duft, der ganz besondere Geruch, der in der Luft hängt, an den ich mich seit Kindertagen erinnere und den ich jedes Jahr herbeisehne. Wie das riecht? Süß und gleichzeitig herb. Etwas bitter. Vielleicht wie eine Mischung aus frisch gemähter Wiese mit vielen Kräutern drin, dazu wie durchs wirbelnde Laub laufen, dazu noch eine Prise frischer Baumschnitt, das alles gut abgeschmeckt. Und noch etwas herber – oder so. Dieser besondere Geruch bedeutet für mich das Ende des Sommers, den Beginn des Altweibersommers, den Übergang zum Herbst. Wenn ich ihn mal ein Jahr verpasse bin ich ein Stück weit orientierungslos, etwas fehlt. Bin ja gebürtige beziehungsweise aufgewachsene Holledauerin (Hallertauerin). Meine Heimat ist eine Region, gelegen in Teilen Ober- und Niederbayerns. Dazu gehören ganz grob die Landkreise Freising, Pfaffenhofen, Kehlheim, Landshut und Eichstätt. Aufgewachsen bin ich an der südöstlichen Grenze, kurz vor Moosburg, die Stadt wird gern (wie Ingolstadt, Schrobenhausen, Kelheim oder Freising auch) als eines der Tore in die Hallertau bezeichnet. Die Holledau ist das größte zusammenhängende Hopfenanbaugebiet der Welt mit 15 Siegelbezirken (ich bin nicht sicher, ob die Zahl stimmt, da ich mich sehr wundere, dass Hersbruck auf Wikipedia zur Hallertau gezählt wird, insofern: bitte korrigiert hier gerne).

Neben der Hopfenernte, die gerade läuft, zugegebenermaßen so, wie auch in den anderen deutschen Hopfengebieten Spalt, Hersbruck und Tettnang, rühmen wir Holledauer uns gerne, ein besonderer Menschenschlag zu sein. Nicht nur Bayern, nicht nur Ober- oder Niederbayern, sondern eben Holledauer. Trinkfest, gesellig, menschenfreundlich, fleissig, kontaktstark, musikalisch – deshalb gibts sogar Lieder auf den besonderen Flecken Erde, den der liebe Gott für diesen besonderen Menschenschlag geschaffen hat, zum Beispiel eine Volksweise, das „Holledauer Lied“:


Da nicht jeder den Text verstehen wird fasse ich das in eigenen Worten und etwas verkürzt zusammen: als Gott die Welt erschuf fiel ihm am 7. Tag auf, dass noch etwas fehlte und er schaffte den schönsten Fleck der Welt, die schöne Holledau. Mit sanften Hügeln, dem Fluss Abens und dem wunderbaren weißblauem Himmel. In einer kleinen Bergkapelle wurde mal ein Schimmel versteckt, leider hat er es nicht überlebt, aber seine Geschichte wird noch heute in Liedern und Theaterstücken weitererzählt. Wer Hopfen nicht kennt, kennt die Arbeit nicht, die er macht, aber sein Erzeugnis: das beste Bier der Welt wird mit Holledauer Hopfen gebraut. Am Lebensende geht der Holledauer nach einem arbeitsreichen Leben gern in den Himmel, schaut von dort aus gerne liebevoll auf seine Heimat herab, die im Leben viel Mühe, aber auch viele schöne Momente geschenkt hat.

Ja, der Holledauer ist stolz, ein besonderer Menschenschlag. Und nicht nur das: der Komponist Erhard Kutschenreuter hat den Hallertauern sogar ein eigenes Nationalepos, eine Operette, ein niederbayerisches Singspiel in 3 Akten hinterlassen. Das zur Hopfenzupfzeit im Markt Siegenburg aufgeführt wird und dieses Wochenende Premiere gefeiert hat: der Holledauer Fidel 2013. Dazu bald mehr.