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Paula und das Weihnachtsgeschenk – Vorlesegeschichten aus der Nachbarschaft

Seit Wochen lauscht Paula an ihrem Lieblingsplatz am Gartenzaun, wie die Nachbarsmädels sich über ihre Wünsche zu Weihnachten unterhalten. Ganz unterschiedlich sind die, die Große wünscht sich vor allem Bücher, die sie auf ihrem elektrischen Gerät lesen kann. Die Mittlere würde gerne mal ins Kino gehen. Die Jüngste hat auch schon ganz ganz viele Wünsche … Paula schwirrt der Kopf vor lauter darüber nachdenken.

Und ein bisschen traurig ist sie auch. Weil sie mit ihren vier Pfoten zwar schnell laufen, hüpfen oder sogar tanzen kann, aber etwas Schönes basteln kann sie nicht. Und Geld für Geschenke hat sie auch keins. Dabei würde sie Herrchen und Frauchen zu gerne etwas ganz besonders Schönes zu Weihnachten schenken. Und den Nachbarsmädels auch, die sind ihr nämlich sehr ans Herz gewachsen …

Ach, das Hundemädchen seufzt. Ganz traurig ist sie. Da kommt ihr Herrchen, um sie zur täglichen Gassirunde abzuholen. Ein bisschen geknickt ist Paula noch. Aber schließlich sind sie und Herrchen eine eingeschworene Gemeinschaft. Sie will ihn nicht hängenlassen. Unterwegs freut sich Herrchen Andi, weil er natürlich bemerkt hat, dass seine Paula vorher etwas unglücklich war. Und wie immer unterhält er sich mit ihr. „Weißt du Paula, das ist für mich das größte Geschenk, dass wir zwei jeden Tag Zeit miteinander verbringen. Das ist so wertvoll, würde ich für nichts in der Welt eintauschen wollen!“

Paula freut sich, so sehr, dass sie ein bisschen hopst und tänzelt. Herrchen grinst und meint verschmitzt: „Wir haben es schon ganz schön miteinander, was, mein Hundemädchen! Und für unser Frauchen ist das auch täglich ein Geschenk, wenn wir zwei miteinander unterwegs sind. Da genießt sie ihre Freizeit und macht ihre Mädelssachen, die sie nicht tun kann, wenn wir da sind …“

Das wusste Paula bisher nicht und sie freut sich, weil sie Herrchen und Frauchen nicht nur einmal im Jahr zu Weihnachten etwas schenken kann, sondern jeden Tag.

Paula und die Wartezeit – Vorlesegeschichten aus der Nachbarschaft

Seit ein paar Monaten scheint es Paula manchmal ein bisschen komisch, denn die Menschen rundum sprechen immer wieder davon, wann endlich wieder alles normal ist. Grade neulich hat Herrchen Andi ihr auf der täglichen Gassirunde erklärt, wie sehr „das alles“ sein normales Leben verhindert. Die Nachbarsmädels fluchen oft laut und vernehmlich durch die ganze Siedlung über dieses „Scheiß-Corona„.

Wenn Paula so nachdenkt, dann hat sich gar nicht so arg viel verändert. Sie darf täglich Gassi gehen, nach wie vor muss sie das auch bei schlechtem Wetter tun, auch wenn sie das gar nicht so toll findet, weil sie danach immer so schmutzig ist. Die Kinder und Enkelkinder von Herrchen und Frauchen kommen seltener zu Besuch, aber wenn sie kommen ist alles noch ein bisschen intensiver als vorher. Das findet Paula schön, dass alle so viel kuscheln und knuddeln und so viel miteinander lachen.

Dass Herrchen und Frauchen nicht in Urlaub geflogen sind fand Paula klasse – so musste sie nicht allein in ihre Ferienunterkunft. Eigentlich haben sie in den letzten Monaten viel öfter alle zusammen schöne Ausflüge gemacht und rundum ganz viele neue Spazierwege entdeckt. Und was Paula gar nicht vermisst, ist mit Herrchen und Frauchen ins Restaurant gehen. Nein, unter dem Tisch liegen, sich von Artgenossen ankläffen lassen und Wasser aus einem Napf angeboten bekommen, aus dem schon unzählige vor ihr geschlabbert haben, iiiihgitt. Essen rundherum bestellen, abholen und zu Hause genießen, das ist der Hundedame viel lieber. Oder selber kochen, da lachen Herrchen und Frauchen oft und viel, wenn irgendwas nicht so klappt, wie es im Rezept steht …

Heute sitzt sie an einem sonnigen Plätzchen und belauscht die Nachbarsmädels. Die philosophieren mal wieder. Die Große erklärt der Kleinen gerade, dass es Fliegen gibt, die nur einen einzigen Tag leben, „die heißen ja auch Eintagsfliegen. Stell dir vor, wenn die bis morgen warten, damit alles wieder normal ist. Das wär ganz schön blöd, oder?“ „Das stimmt, das wär sogar total blöd, weil dann haben sie ihr ganzes Leben mit Warten verbracht …“ Die zwei Schwestern grinsen, froh, dass sie genau in diesem Augenblick im Garten spielen können.

Und auch Paula lächelt, denn auch sie hat verstanden, dass die meisten Menschen zwar die Wartezeit nervig finden, aber eigentlich ganz gut klarkommen. „Weißt du was?“ erklärt sie einer Fliege, die sich auf einem Blatt ganz in der Nähe niedergelassen hat. „Auch wenn es gerade vielleicht nicht so normal wie normalerweise ist, nutz deine Lebenszeit und warte nicht auf irgendwas. Was ist schließlich schon normal? Nur das, was jeder einzelne von uns definiert oder draus macht – oder?“

Paula und die lebendige Erinnerung – Vorlesegeschichten aus der Nachbarschaft

Wenn Paula den Nachbarsmädels so zuhört ist sie öfter sehr verwirrt. Immer wieder reden die alle von noch einer Tante, die war aber noch nie da. Das ist manchmal ganz schön irritierend für die Hundedame, die jetzt zwar viel über den Menschen aus Erzählungen weiß, aber noch nie gesehen hat, wie diese Tante aussieht oder wie sie sich bewegt … komisch.

Mittlerweile kann sie sich ein ziemlich gutes Bild machen, die Tante war die jüngere Schwester der Mama der Nachbarsmädels. Machte oft einen Schmollmund. Ist mal mit dem Schlitten in einen Stacheldrahtzaun gefahren. Hat mal in ein Quecksilber-Barometer gebissen. Und und und…

Heute hört sie ganz genau zu, denn die bekannte Tante der Nachbarsmädels ist mal wieder zu Besuch. Und erklärt der jüngsten Nichte beim Schaukeln, dass Tante C. schon im Himmel ist. Weil sie krank war – dass es ja aber doof wäre, wenn alle nicht mehr von ihr sprechen würden. Das wäre ja quasi totschweigen. „Lieber wollen wir sie in lebendiger Erinnerung halten. Deswegen sprechen wir über sie, erinnern an das Gute und das, was nicht so geklappt hat. Klar lachen wir auch mal über den Tollpatsch, der sie war. Und so ist sie immer noch ein Stück bei uns.“

Die Nichte lächelt verstehend und nickt. Und Paula? Die versteht auch und ist glücklich, das ist schön, wenn jemand, der gestorben ist, in lebendiger Erinnerung bleiben darf. Zufrieden schließt sie die Augen und schläft mit einem Hundelächeln ein …

In Absprache mit den Nichten gehen die Paula-Geschichten weiter, auch wenn das lebendige Vorbild für unsere Paula-Geschichten, die tapfere kleine Hauptfigur aus dem Nachbarsgarten, am Wochenende über die Regenbogenbrücke 🌈 gegangen ist. Sie hat uns in den vergangenen Monaten so oft ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. In der Tradition unserer Familie werden wir sie in lebendiger Erinnerung halten – und weiter der Phantasie über ihre Abenteuer im Nachbarsgarten und drum herum freien Lauf lassen – RIP kleine Paula ❤️

Paula und der kranke Nachbar

Heute ist Paula nachdenklich. Auf der morgendlichen Gassirunde mit ihrem Herrchen Andi haben sie eine Nachbarin getroffen. Die war sehr traurig und hat Andi erzählt, dass ihr Mann jetzt Wochen im Krankenhaus war, weil er krank war. Zweimal sei er operiert worden. Jetzt sei er schon wieder eine ganze Woche daheim. Aber so schwach und immer müde. Und Appetit habe er auch nicht.

„Am schlimmsten ist aber, dass ihn keiner besuchen darf. Denn dadurch, dass er so schlapp ist, ist er jetzt auch noch Risikopatient für das Virus,“ hat sie Andi und Paula erklärt. Ja, das kann Paula verstehen. Das mit dem sich gegenseitig nicht besuchen können, das macht ja grad alle unglücklich. Ihr Herrchen Andi und Frauchen Karin bekommen kaum Besuch, die Nachbarsmädels sind immer allein zu Hause …

Doch über das Nachdenken hat Paula eine Idee. Schließlich sind die Nachbarsmädels für sie ja auch gerade sowas wie der Ersatz für die Enkelkinder von Andi und Karin, die gerade nicht oft da sein können. Da war doch das kleine Loch im Gartenzaun hinüber zu Nachbars Garten. Mit viel Mühe zwängt sie sich hindurch und pirscht sich an die Nachbarsterrasse heran. Tatsächlich, da sitzt der kranke Nachbar im Ohrensessel und blickt traurig hinaus.

Paula läuft schwanzwedelnd auf die Terrasse. Als er sie sieht, blickt er erst erstaunt, dann lächelt er. „Oh wie schön, ich hab Besuch. Das ist aber lieb von dir, ich freu mich, Paula.“ Und Paula zeigt, was sie kann, sie läuft hin und her, hüpft, rollt, macht alle Kunststückchen, für die sie normalerweise ein Leckerli bekommt. Und sie wird lange nicht müde. Mit einem Nasenstupser an die Glastür der Terrasse verabschiedet sie sich schließlich fix und fertig – und verspricht kläffend, recht oft wiederzukommen.

Auf dem Rückweg ruft sie den paar Vögeln, die sie trifft, zu: „Bitte, besucht den Nachbarsgarten, da sitzt ein kranker Mann, der keinen Menschenbesuch empfangen darf und ihm ist schrecklich langweilig. Wenn er uns sieht, dann kommt die Freude in sein Leben zurück …“ Gesagt, getan. In den kommenden Tagen ist vor dem großen Terrassenfenster beim Nachbarn immer etwas zu sehen, auch die Nachbarskatzen, ein paar Eichhörnchen und sogar die Igel machen mit vollem Einsatz mit.

Und am meisten freut sich Paula, als sie und Herrchen Andi bei der Gassirunde am Wochenende das Nachbarsehepaar treffen. Er geht noch langsam und mit Stöcken, aber er zwinkert Paula fröhlich zu.