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Sonntagsfreude: „Wie es im Buche steht“

Kennt ihr diesen Ausdruck „heute war ein Sonntag, wie er im Buche steht“? Heute war GENAU SO ein Sonntag: Frühling, Sonne, gut gelaunte Menschen in den Gärten und am Spazierengehen, Unterhaltungen über den Gartenzaun, kreativ spielende Kids … so, wie es sein soll eben. Dazu Ferienbeginn, die Aussicht auf warme Tage, für viele arbeitsfrei, mit der Möglichkeit, sich draußen zu bewegen … hebt die Stimmung?

Ich hatte heute so viele schöne Augenblicke. Am meisten hab ich mich gefreut, das Starenpaar zu beobachten, das sein Nest im Kirschbaum bezogen hat. Und sogar die Amsel, die ungefähr eine Armlänge entfernt lautstark in mein Ohr geschimpft hat, hab ich nach einem Schreckmoment angelächelt. So viel Lebenslust, so viel Freude, so viele Frühlingsgefühle, hach.

Und – Trommelwirbel – der Hopfen spitzt aus dem Boden. Lassen wir die Hopfenzeit beginnen 💚

Lebenslinien

1995 und 1999, zwei Sommer meines Lebens. Zweimal zum Teil eines großen Ganzen werden, eines Theaterstücks, das als Nationalepos der Hallertau gilt. Menschen und ihre Eigenheiten kennenlernen, bekannt miteinander werden, sich vertraut machen. 

1995 meinte Franziska, lebenserfahren und weise, in unzähligen schönen, anregenden Gesprächen, dass der Mann, mit dem ich die letzten 7 Jahre verbracht hatte, sich bestimmt für mich freue, mir den Spaß und den Erfolg von ganzem Herzen gönne. Ich hab ihn gefragt – was das Ende unserer Beziehung eingeläutet hat. Sie war es auch, die mich immer wieder um Verständnis für die Extravaganz meines männlichen Gesangspartners gebeten hat, mich auf seine Unsicherheit im Umgang mit mir hingewiesen hat. Die ich immer noch für Arroganz halte, aber ich hab geschafft, durchzuhalten. Das und vieles mehr hab ich ihr zu verdanken, sie war mir über Jahre eine unaufdringliche, liebevolle Ratgeberin. Beeindruckt hat mich stets ihre Lebenslust, ihre gnadenlose Ehrlichkeit, sich selbst und anderen gegenüber. Die erste Krebsdiagnose hat sie, Kettenraucherin und Genusstrinkerin, angenommen und gesiegt. Die Folgediagnose hat sie erst optimistisch begonnen, sich aber schließlich gegen die Begleiterscheinungen der Chemotherapie entschieden. Für ein paar gute Wochen voll Leben. Dann leider …

Stefan, der begnadete Tenor, war 1999 einer von wenigen, die mich auf den Tod meiner Schwester angesprochen hat. Der sich getraut hat, mit viel Verständnis, wie ein väterlicher Freund. Wie oft hat er selbst sich vor dem Auftritt hinter der Bühne verkrochen, wollte allein mit seiner Nervosität sein. Wahrscheinlich hatte er gerade deshalb ein so feines Gespür für mein Verlangen nach Mittendrin sein? Das Leben spüren, er war selber keiner, der gerne im Mittelpunkt stehen wollte. Sein großes Solo im Stück täglich mit Zittern und Schwitzen verbunden. Wie oft könnte er nicht mal den aufmunternden Händedruck annehmen, es war ihm alles zu viel, sogar der Applaus. Über unseren Zusammenhalt als 4er-Gespann hat er immer wieder höchst anerkennend gesprochen, sich über unsere Freundschaft und Verbundenheit mitgefreut. Auch nach dem Fidel hat er immer gestrahlt, wenn wir aufgetaucht sind. Unvergessen die Kinder-Weihnachtsfeier 1999, wo er als Opa mit seinen Enkelkindern um die Wette gestrahlt hat. Und uns mit den speziellen geriffelten Pommes belohnt hat, die es nur bei ihm gab. Über die Jahre ist er nicht nur älter, sondern auch kränker geworden, hatte durch Diabetes starke Einschränkungen, konnte das Haus immer weniger verlassen. Wollte nicht mehr Leben.

Beide sind am selben Tag gestorben, zwei Beerdigungen in einer Woche, die ehemaligen Weggefährten kommen nicht nicht nur zur Chorprobe zusammen. Liebevolle Worte der Erinnerung an zwei besondere Menschen. Die beide zu früh gehen mussten. 

Figurprobleme

Die Vorweihnachszeit, es ist kalt draußen, überall liegen Plätzchen, auf den Christkindlmärkten lockt fettes Essen. Da mach ich mir heute mal Gedanken über das Thema Figur und Gesundheit. Der Anlass meiner nachdenklichen Stimmung hat aber gar nichts mit der Jahreszeit zu tun. Hab heute morgen nur mehrere Stunden in der Autowerkstatt meines Vertrauens verbracht, mein geliebter Peugeot weigert sich in diesen Tagen, das reichliche, auch mit Frostschutz versehene Spritzwasser auf meine Scheibe zu transportieren, War die letzten Tage im Blindflug und mit vielen Säuberungspausen unterwegs. Deshalb der Besuch heute morgen, damit ich endlich wieder klare Sicht bekomme.
Beim Warten kommt eine Frau auf den Hof gefahren. Sie steigt etwas umständlich aus, kommt rein, grüßt in die Runde, man kennt sich. Und beschwert sich lachend, dass der Sitz im Auto von Tag zu Tag mehr schrumpft. Sie passe da einfach nicht mehr rein, ob das bestellte Sondermodell bald geliefert werde? Wir kommen ins Gespräch, sie hat in den vergangenen 2 Jahren mehr als 100 Kilo zugenommen. Ist in ärztlicher Behandlung, aber keiner weiß so recht, woran es liegen könnte. Sie wäre nie zu dünn gewesen, immer ein paar Kilo mehr auf den Rippen. Jetzt sei das aber deutlich zu viel, sie mache aktuell eine Ernährungskur, bislang ohne Ergebnis. Und um sich wenigstens etwas Freiheit zu erhalten bekommt sie eine Sonderanfertigung für einen Autositz. Um es beim Autofahren bequem zu haben.
Anschließend war ich im Supermarkt, habe dort eine Frau in den 40ern gesehen, die im Körper eines kleinen Mädchens „steckt“. Das Frausein verkörpert sie durch dicke Schminke, hohe Absätze, lange Fingernägel, stylische Klamotten. Aber sie trägt eine Jeans in Kindergröße. Neben ihr zwei Kinder, beide noch keine 10 Jahre alt. Ihre vielleicht 8jährige Tochter hätte ihre Jeans tragen können.
Bei der Fahrt übers Land habe ich dann wieder einmal ein etwa 17jähriges Mädchen gesehen, das sommers wie winters an der Hauptstraße entlang spazieren geht. Nicht etwa, um die Schönheit der Natur zu genießen, dafür hat sie kein Auge. das as sie macht hat auch nichts mit Sport oder Spaß an der Bewegung zu tun. Sie hat entweder etwas zu lesen dabei oder beschäftigt sich mit einem Tablet PC. Sie läuft scheinbar ohne Ziel, einfach nur um zu laufen. Der Blick ist konzentriert, nach unten, vollkommen vertieft in das, was sie während des Spazierengehens tut. Sie ist meistens schick gekleidet, trägt im Sommer schöne Kleider, moderne Shirts, heute hatte sie ein Strickkleid über Leggins und Boots, darüber ein Fellwestchen – sehr schick, nur leider schlottert alles an ihr. Denn sie ist viel zu dünn. Statt Beinen hat sie Striche, aus kurzen Ärmeln schauen magere Ärmchen heraus. Sie läuft, aber mit einer extrem schlechten Körperhaltung. Nicht nur der Blick ist abwesend, auch ihre Haltung signalisiert, dass sie nicht spazierengeht, um spazierenzugehen. Wahrscheinlich läuft sie, um ihrer Krankheit davonzulaufen. Ihr Körper IST krank, vielleicht auch ihre Seele.

Das sind 3 kranke Frauen, jede auf ihre Art: eine isst normal, durch eine Krankheit nimmt sie kolossal zu und wünscht sich nichts sehnlicher, als normal zu sein. 2 andere hungern, um einem Ideal (welches auch immer das sein mag) nahezukommen. Nichts davon ist schön! Und bezüglich der beiden zu dünnen Wesen: Ich wünsche mir bei solchen Beobachtungen immer eine bessere Gesundheitsaufklärung, über die Organschäden, die nicht essen verursacht, über die Beschwerden, die eine miserable Körperhaltung verursacht, über Genuss und ein gesundes Körpergefühl. Die Frau heute morgen hat ihre Lebenslust trotz krassem Übergewicht noch nicht verloren, und sie ist bereit, dafür viel zu tun …