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Spruch zum Wochenende: Abschied

„Jeder sieht, was du scheinst. Nur wenige fühlen, was du bist.“ (Niccolò Machiavelli)

Die Familie der Münchner Patenkinder hat sich gestern vom Opa verabschiedet – alle sind an diesem sonnigen Spätsommertag zur Beerdigung rausgefahren, in den Ort, den sich die Großeltern vor Jahren als neuen Heimatort – zum Wohlfühlen für den Ruhestand – ausgewählt hatten. Im Dorf haben sich die zwei, die schon lange Jahren wegen dem geliebten Biathlon und der noch mehr geliebten Berge hierherkamen, zu Hause gefühlt. Mehr, als im heimischen Franken. Ich hab mich gestern erinnert, als ich die beiden vor Jahren besucht habe, damals haben sie mir ihr neues Zuhause gezeigt, auf einer Rundfahrt im gepflegten BMW mit Heckantrieb, wie wir auf vereisten Straßen nach oben schlingerten, ehe wir eine Mittagspause mit Ausblick auf die verschneite Bergwelt genossen haben. Auch damals waren wir oben, um die Aussicht von Kirche und Friedhof zu genießen –  und ich weiß zu gut, dass wir uns über dieses schöne Fleckerl Erde unterhalten haben. Nur haben die zwei mir erklärt haben, dass auf dem alten Teil nur gebürtige Einheimische ein Wohnrecht für die Ewigkeit haben.

Auch der neuere Friedhof ist ein Platz, den der Opa durch seinen Blick auf die umliegenden Bergwelten sehr gern gehabt hätte. Das hat der Herr Diakon auch in seiner Trauerrede ganz deutlich betont: wie sehr der Verstorbene die Natur und ihre Ruhe genossen hat. Wir haben seinem Abschied viel Stimme verliehen, ich durfte singen, eine weitere Freundin hat gelesen. Es war eine sehr schöne, wenn auch tränenreiche Trauerfeier. Pfiade, alter Freund und vor allem Papa, Opa und Ehemann …

Mademoiselle wollte dem Opa eigentlich ein vierblättriges Kleeblatt mit ins Grab legen, Monsieur hatte ein besonderes Exemplat aus seiner Steinsammlung ausgewählt. Dass beide die Grabbeigaben dann in der Aufregung zu Hause vergessen haben, darüber hätte vor allem der verstorbene Opa geschmunzelt und ihnen mit treffenden Worten erläutert, dass der gute Wille zählt. Schön fanden beide den anschließenden Leichenschmaus mit Kuchen und Tellerfleischin kleiner großer Runde – das war besser, als direkt nach der Trauerfeier heimzufahren. Schön war auch der abschließende Abstecher zum Grab am Abend: alles rundherum, die ganze Bergwelt in das goldene Licht des Spätsommers getaucht, der Blumenschmuck auf dem Grab arrangiert. Und alle hatten statt der vorher vergossenen vielen Tränen ein kleines, gelöstes Lächeln auf dem Gesicht … Das hat er uns ganz bestimmt geschenkt, war schließlich eines seiner Markenzeichen.

Und noch eine kleine Patentanten-Patenkind-Konversation zum Erinnern: Monsieur war mit meinem Gesang im großen und ganzen zufrieden, nur hab ich bei einem Stück, das er auch im Chor singt, 2 Strophen rausgelassen. Das musste er durchaus kritisch anmerken. Mademoiselle kam irgendwann zu mir, um sich anzukuscheln. Plötzlich fiel ihr was ein, sie grinste mich an und meinte: Also, du hast echt schön gesungen. Aber ich hab gar nicht erkannt, dass das du warst. Weil deine Stimme, die hat sich ganz anders angehört. Als ob du eine echte Sängerin wärst …(möglicherweise nicht 1:1 wortgetreu, aber sinngemäß – und ich nehme das mal als Kompliment ;-))

Das mit dem Kraftplatz

An Tagen wie diesen fühl ich mich wie Aschenputtel. Schmutzig, staubig, und das hört irgendwie nicht auf. Seufz. Zwei Hauswände sind fast „putzfrei“, natürlich gibt es ein paar Stellen, die einfach runter fallen, die anderen halten dafür wie mit Zement festgeklebt. Äh, ja, sind sie ja auch. Gut, dass wir uns ein Gerät ausleihen konnten, das zwar nur Männer bedienen können, aber als Frau darf ich ja dafür den Dreck wegputzen. So sieht es die praxisorientierte Aufgabenverteilung vor. Auch wenn das wieder eine der Arbeiten ist, die keiner braucht: mir wird mehr und mehr klar, wie viel Energie dieses Renovierungsprojekt freisetzt. Ob das nur so ist, weil es das Elternhaus ist? Das ich ohnehin schon seit vielen Jahren als meinen persönlichen Kraftplatz entdeckt habe. Nicht nur das Haus, sondern auch die Lage, mitten im Dorf. Mit einem freien Blick über das kleine Tal im Osten. Schnell draußen, aus dem Ort, einfach über die Wiese laufen und ich bin unterwegs. Dann führen Feldwege kilometerweit an Äckern vorbei, in ein großes Waldgebiet. Wenn ich mag, schaffe ich es, stundenlang zu laufen und keiner Menschenseele zu begegnen. Für mich ist es genau diese Freiheit, die mir so ein überwältigendes Heimatgefühl gibt. Obwohl ich hier schon so viel gelaufen bin und gefühlt jeden Stein kenne, immer wieder darf ich aufs Neue die kleinen Wunder der Natur entdecken. Schön ist es, mein Wochenend-Zuhause.

Meine (mittlerweile frischgeduschte) Antwort auf Michaelas Frage nach Kraftorten.