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Der 10. Monat

  • Ein aufregender Monat war das für Nichte 2.0. Kaum war die große Schwester wieder gesund und in der Schule hatte sie die Windpocken … sehr viel mehr muss ich dazu nicht schreiben, zum Glück wird sie sich nicht dran erinnern. Und hoffentlich später über die Streuselkuchenbilder lachen können, der kleine Körper war von Pusteln übersät. Aber sie ist bereits wieder quietschfidel.
  • Schon davor hat sich die Mobilität quasi innerhalb von Stunden potenziert. Nachdem wir uns alle etwas Gedanken hinsichtlich des einbeinigen Krabbelns gemacht hatten wurden Experten befragt. Zwischenzeitlich ist klar: es gibt keinen körperlichen Grund, warum sie immer nur auf einer Seite das Bein mit einsetzt, insofern amüsieren wir uns jetzt über die temporeiche Fortbewegung. Und klar ist: es gibt keine sicheren Plätze mehr, denn sie kommt überall hin und zieht sich überall hoch …
  • Neben Brabbeln, Krähen, Gurren, Plappern, Schreien, Flüstern hat sie das Singen für sich entdeckt. Gut, dass in mir wenig vom Ehrgeiz meiner Schwester steckt, sonst würde meine kostbare Freizeit wohl in Gesangsstunden und musikalische Frühförderung umgewandelt 😉
  • Ma-mma, Ba-ba, Om-ma … die ersten Worte kommen, nicht immer korrekt zugeordnet, aber wer will da Bitteschön so kleinlich sein?
  • Die Welt wird spielerisch erkundet, allerdings schafft es aktuell kein Spielzeug und keine Beschäftigung, die kleine Wespe dauerhaft zu fesseln. Kommt durchaus vor, dass das mitspielende Personal immer noch versucht, einen Turm zu bauen, obwohl längst was anderes interessant ist. (So schwierig, gutes Personal zu finden … )
  • Großartig ist es, am großen Panorama-Fenster kniend oder stehend die Vögel im Garten zu beobachten und das zu kommentieren. Oder ist das nicht doch nur Vorwand, um die von Mama und großer Schwester liebevoll angebrachte Raupe-Nimmersatt-Deko abzureißen …?
  • Alles essen ist quasi nur noch eine winzig kleine Entfernung entfernt, das wird herrlich. Spätzle mit doch etwas scharfer Soße von der Oma wurden schon mal getestet und für gut befunden (das Verziehen des Gesichts soll alle vom Gegenteil überzeugen, aber wir fallen nicht drauf rein …)
  • Die große Schwester hat der kleinen ihren Platz abgetreten und sitzt jetzt auf der Bank, Nichte 2.0 thront im Kinderstuhl am Tischende.
  • Ich hab schon mal erwähnt, dass Wagerlfahren so gar nichts für sie war, das ist neuerdings gaaaanz anders, jetzt sitzen wir ja auch und können neugierig alles in Augenschein nehmen, was um uns rum passiert. Normalerweise schlafen wir dann irgendwann kurz ein …
  • Wie die große Schwester begeistert sich Nichte 2.0 für Tiere, die Hasen sind wie Kino, die Miezekatze ist der Hit und am Wochenende war das jüngste Familienmitglied live dabei, als die Gastkälber auf der Sommerweide am großelterlichen Bauernhof angekommen sind.
  • Vor ein paar Tagen musste ich akut an meinen jüngsten Bruder denken, wie der „kleine“ Onkel als Baby verschränkt sie die Hände hinter den Ohren bzw. dem Kopf und lehnt sich zurück. Bei ihm war das damals ein untrügliches Signal für Müdigkeit, meist schlief er eine Minute später, tief und fest. Am liebsten unter dem Tisch 😉
  • Nicht zu vergessen: die große Schwester vergöttern, ihr alles nachmachen, nachplappern, sie immer anstrahlen und anlachen.
  • Endlich ist das Fremdeln nach Augenblicken vergessen. Diese Woche darf die Mama allein zum Seminar fahren, der Papa hat für den Notfall die beiden Omas als Kriseninterventionsteam in Bereitschaft …

100. Geburtstag

Liebe Oma, heute wär dein 100. Geburtstag. Geboren im Jahr 1915, ein Kind im ersten Weltkrieg. Aufgewachsen bist du mit einer Geschwisterschar auf dem elterlichen Anwesen, warst eine Großbauerstochter. Dein Vater, ein stolzer Hopfenbauer mit langem Stammbaum, deine Mutter stammte ebenfalls aus einem großen Hof. Sie ist bei der Geburt des jüngsten Geschwisterchens mit dem ungeborenen Kind verstorben. Ihr seid mutterlos aufgewachsen, dein Vater hat für die Zeit untypisch nicht mehr geheiratet. Er hat euch streng erzogen, alles musste ordentlich sein. Zu viel Herzlichkeit gab es nicht, der Betrieb musste funktionieren. Aufgezogen haben euch die großen Geschwister und Kindsmädge. Da war auch die ungeliebte Bertha dabei – sie scheinst du am wenigsten gemocht zu haben? Du warst ein fleissiges Kind, Klassenbeste in der Dorfschule, noch mit über 80 Jahren hast du uns Gedichte und Liedtexte aufgesagt, die du als Kind auswendig gelernt hast. Und kanntest jedes Märchen nicht nur sinngemäß, sondern wortgetreu …

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Deine Kindheit und Jugend lag in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Nach der Volksschule durftest du nach Markt Indersdorf, hast eine weiterführende Schule besucht, dich aber sehr nach zu Hause gesehnt. Brav Briefe geschrieben, um zu berichten. Nie ein persönliches Wort, immer sehr höflich und korrekt. Es kam der zweite Weltkrieg, zum Glück wart ihr vier Schwestern, ein Bruder wurde ausgemustert, der andere Bruder kam unversehrt zurück. Die älteste Schwester war schon verheiratet, du hast meinen Opa geheiratet, als er aus der russischen Kriegsgefangenschaft zurückkam. Mit schon über 30. Deine anderen Geschwister blieben unverheiratet, bewirtschafteten gemeinsam den elterlichen Hof. Von deiner Hochzeit 1949 wurde in den Jahren danach oft erzählt, es war die erste große Nachkriegshochzeit im Dorf, ein fröhliches Fest. Mit einer Musikkapelle, einem Kirchzug, du warst wunderhübsch, ein schlichtes, aber elegantes weißes Kleid, ein Kranz zierte deinen Kopf. Neben dir mein stolzer Opa im feinen Zwirn, die beiden Urgroßväter die stattlichen Trauzeugen. Das Fest fand in der Dorfwirtschaft mit einem üppigen Festmahl statt. Ab deinem Hochzeitstag warst du Bäuerin und Hausfrau, wobei es dir die Urgroßeltern laut den Kindheitserinnerungen meiner Mama nicht immer leicht gemacht haben? Du hast nie geklagt.

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Dann kamen die Kinder, meine Mama hast du zu Hause entbunden, und dass es eine sehr schwere Geburt war haben die Frauen im Dorf selbst mir noch als Kind erzählt. Bei meiner Tante haben die Ärzte dich zum Kaiserschnitt ins Krankenhaus gebracht – und dir geraten, keine weiteren Kinder mehr zu bekommen. Hat auch gereicht, schließlich war das Haus immer voll. Meine Urgroßeltern hatten viele Kinder, die wiederum alle Familien hatten. Die immer kommen durften, es war ein offenes Haus, an dem man sich zu den Feiertagen traf, die Enkelkinder verbrachten die Ferienzeiten auf dem Bauernhof … Eine schöne, unbeschwerte Zeit, für dich immer mit viel Arbeit neben den anderen anfallenden Pflichten verbunden. Dazu kam die Pflege der alternden Urgroßeltern, dein Mann, mein Opa, der an Krebs erkrankte. Meine Eltern übernahmen den Hof, wir Kinder kamen. Und damit hattest du eine neue Aufgabe als Oma. Obwohl ich mich natürlich nicht erinnern kann habe ich das Bild von uns beiden im Kopf, ich als Baby im Kinderwagen, du, die du mich trotz eines Regenschauers unter dem Vordach hin und her schiebst, damit ich an der frischen Luft bin. Du hast uns Kindern das Frühstück gemacht, uns rechtzeitig aus dem Haus gescheucht, nach dem Mittagessen darauf geachtet, dass die Hausaufgaben vor dem Spielen gemacht wurden, mit uns Lesen, Schreiben und Rechnen geübt. Hinter uns hergeräumt, uns verwöhnt, warst oft streng, hättest unsere Freunde als „Hoagart“ oft am liebsten wieder aus dem Haus geworfen. Du warst ehrgeizig – und ganz schön stolz auf jedes deiner Enkelkinder. Und selbst im hohen Alter warst du selbstständig, hast deine Aufgaben erfüllt, dich um alles gekümmert. Es ist dir nicht leicht gefallen, Dinge nicht mehr selber zu können. Wie oft haben wir zu hören bekommen „als ob du das wissen würdest“. Bis weit über 80 Jahre warst du auch fit, hast gekocht, gekehrt, gebügelt, Wäsche verrichtet. Die letzten Jahre warst du auf Hilfe angewiesen, das ging schleichend, zum Schluss warst du in deiner eigenen Welt. Hast Gegenwart mit Vergangenheit vertauscht, so kamen wir immer wieder in den Genuss deiner Wut auf die böse Bertha, die so viele Jahrzehnte überdauerte. Was hat die Ärmste nur mit euch Kindern gemacht? Und konnten über deine Parallelen zwischen Lebenden und längst verstorbenen Personen schmunzeln (oder uns ärgern).
Du warst Zeit deines Lebens ein gläubiger Mensch, hast keinen Gottesdienst ausgelassen, das Rote Kreuz und andere Hilfsorganisationen durch Spenden unterstützt. Der Glaube hat dir durch schwierige Zeiten geholfen, du warst regelmäßig zur Wallfahrt in Altötting. Als Kind muss ich vielleicht sogar öfter dabeigewesen sein, wenn ich Schwarze Madonna höre erscheint sofort das Bild einer Reisegruppe älterer Damen. An einem heißen Sommertag, alle tragen dunkle Kleider, einen Hut, die große Handtasche. Und schwitzen. Ich war schon als Kind sehr geruchsempfindlich, es war eine Qual. Erst am Stand mit den Rosenkränzen vor der Wallfahrtskirche hab ich wieder geatmet (vorher hab ich einfach die Luft angehalten, um an dem Geruch nicht zu ersticken …). Von dir haben wir als Kinder das Beten gelernt, das Abendgebet gemeinsam gebetet, mit dir waren wir in der Kirche, kannten die Abläufe. Du hast uns die Geschichten der Heiligen erzählt. Und du warst stolz auf deinen Namen Maria, jedes Jahr am 12. September kam deine Familie zum Namenstagfeiern zusammen, es gab Kaffee und Kuchen …

Ich wäre gern bei dir gewesen, um deine Hand ganz am Ende zu halten. Wäre nicht der dämlichste Stau dazwischengekommen, den ich in meinem Leben erlebt habe, dann wär ich bei dir gewesen. Wie du so oft bei mir gewesen bist. Ich denk heute ganz besonders an dich und dein Leben, wir haben nur einen kleinen Bruchteil mit dir erleben dürfen. Manchmal hätt ich mir gewünscht, mehr über deine Gedanken und Gefühle zu erfahren, aber das war nicht deine Welt, darüber wolltest du nicht so gerne sprechen. Alles Liebe zum 100. Geburtstag, liebe Oma

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Mit Kids im Flieger

Auf dem Heimflug von der besten Freundin war ich umgeben von alleinreisenden Mamas. Mit Kindern in ganz unterschiedlichen Baby-Altern. Einige hatten noch den großen Bruder oder die große Schwester dabei. Und viel Equipment, man muss ja wirklich auf jede mögliche Situation vorbereitet sein. So kam es auch, dass ich den zuckersüßen Niko auf dem Schoß hatte, sein großer Bruder Janik hat sich die Apfelschorle drübergekippt, statt sie zu trinken, da hat Frau dann allein keine Chance als ihr Baby einer Unbekannten anzuvertrauen. Die Fluggesellschaften unterstützen sehr, man kann mit dem Kinderwagen bis ans Flugzeug fahren. Dann kümmern sich die netten Steward(e)s(sen) mit ums Verstauen der vielen Taschen, dass die Babyschale auch richtig festgegurtet ist. Und helfen, wenn Kinder über den Mittelgang oder eine Reihe nach hinten gereicht werden. Bis auf ein nöliges Kleinkind haben die Babies den Flug alle gut gemeistert, bei dem kleinen Brüllhals lag es auch weniger an Problemen wegen dem Fliegen: ihr hat schlicht nicht gepasst, dass die große Schwester beim Papa sitzen durfte. Dann wurden sie getauscht, bei Mama und Oma wollte sie auch nicht … War also trotz der vielen kleinen Mitreisenden eine entspannte Flugzeit, für alle Mitreisenden und irgendwie auch für die Mamas.

Aprilwetterbeobachtungen im Mai

Gestern in einem Straßencafé irgendwo in München: eine kurze Pause zwischen Terminen, Blick auf den Himmel, kurzzeitig scheint die Sonne. Geht es sich aus? Schaffen wir einen Kaffee draußen, im Freien? Lasst uns optimistisch sein und bestellen. Der Kafee wird serviert, dazu eine Runde Decken. Was für ein netter, aufmerksamer Service. Nächster Blick zum Himmel: die schwarze Wolke schiebt sich unaufhaltsam näher. Neben uns setzt sich eine Mutter, sie hat eine Erstklässlerin und ein Baby. Für die Große gibts Eis, die Mama bestellt einen Kaffee – der Kleine wird gestillt. Familienidyll. Es folgt ein kurzer, aber heftiger Regenschauer, unser Sitzplatz im Freien ist gut abgeschirmt. Niemand wird nass. Perfekt. Es hört auf zu regnen. Plötzlich kreischt die Mutter neben uns entgeistert: ein gassigehender Hund hat in den Regenschutz des Kinderwagens gepinkelt – den sie neben den Kinderwagen auf den Boden „gelegt“ hat, aus ihrer Perspektive im Moment nebensächlich. Jetzt aber plötzlich … Findet sie gar nicht lustig. Die Hundebesitzerin auch nicht, sie entschuldigt sich, geht achselzuckend weiter. Denn woher sollte der arme Hund riechen, dass der Regenschutz nicht für ihn als trockene Kloschüssel dahin gelegt worden ist …?