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Schreibprojekt #Kindheitserinnerung01

Vor einiger Zeit hab ich mal bei einer Blogparade zum Thema Kindheitserinnerungen mitgemacht, die allerdings nach 3 Themen nicht mehr stattfand. Ich hab dazu noch so viele Gedanken, dass ich mir gedacht habe: tolle Idee, das würde ich gerne weiter verfolgen. Und deshalb mach ich das jetzt, und erinnere uns alle an unsere Kindheit.

Und los geht es mit einem „ersten“ Themenimpuls für den September #Kindheitserinnerung01: Wer gehörte für dich in der Kindheit zur Familie: Eltern, Geschwister, Großeltern, Onkel und Tanten, …?

Ich bin Großfamilienkind, aufgewachsen in einem Haushalt, in dem neben meinen Eltern meine Oma mütterlicherseits wohnte. Dazu kam am Wochenende noch regelmäßig meine Patentante „nach Hause“. Das waren also schon mal die direkten Familienmitglieder von Anfang an. Dazu die Eltern meines Vaters, die in einem winzig kleinen Ort, etwa 7 Kilometer von uns entfernt, wohnten. Da meine Eltern beide Anwesen zusammen als Landwirtschaft betrieben, war das Haus meiner Großeltern wie ein zweites Zuhause für mich. Dann bekam ich über die Jahre 4 Geschwister, eine ständig wachsende Familie …

Die Geschwister meines Vaters, nebst Ehepartnern und Kindern ergänzten recht regelmäßig die Großfamilie. Mit einigen meiner Cousinen und Cousins habe ich bis heute ein freundschaftlich-familiäres Verhältnis, in unserer gemeinsamen Kindheit besiegelt. Für uns war es immer „normal“, eine riesige Verwandschaft zu haben. Deshalb ist mir auch erst als Teenager aufgefallen, dass meine Eltern in meinen Kindheitstagen kaum Freundschaften gepflegt haben. Dafür war keine Zeit. Das kam erst wieder, als wir aus dem Gröbsten raus waren. Insofern gab es keine Freundinnen-Tanten oder Freunde-Onkel.

Dafür, und das möchte ich erwähnen, war ich gefühlt als Dorfkind bei einigen Nachbarn wie Zuhause. Und natürlich lebten noch Großtanten und -onkel in der Nähe, die ja auch klar zur Familie gehörten. So hat unser Großonkel Thomas beispielsweise dafür gesorgt, dass meine Schwester und ich Hasen bekommen haben, hat den Stall hergerichtet – und sich zugegebenermaßen auch mehr um sie gekümmert, als wir das getan haben.

In meiner Kindheit war ich also gefühlt mit ganz ganz vielen Menschen verwandt, die gehörten irgendwie alle zur Familie … mag sein, dass ich mich deshalb als Pubertier zeitweise sehr abgrenzen wollte? …


Wer mag und wem etwas dazu einfällt, schreibt etwas dazu, entweder in den Kommentaren oder mit einem eigenen Blogpost – und freu mich sehr auf viele Geschichten unserer bestimmt manchmal sehr ähnlichen und dann wieder ganz unterschiedlichen Kindheitserinnerungen. Und auf den Austausch dazu. Mal sehen, wer dabei ist?

Familiengeschichten: Grillen

Grillen ist in unserer Familie so eine Sache: Wir „Kinder“ lieben es, meine Eltern mögen gern Gegrilltes essen, aber der Aufwand, bis der Grill angeheizt ist und bis das dann alles fertig ist … aber trotzdem: hin und wieder grillen wir. Und wenn, dann aber richtig. Denkt zumindest meine Mutter.

Anstatt also an die Leichtigkeit des Grillens zu denken, beginnt sie, in Massen zu planen. Rechnet pro Mitesser Portionen, die schlicht nicht zu bewältigen sind, auch für gute Esser. Dass viel übrig bleibt und dass das an der Vorbereitung von zu viel liegt, das mag sie dann aber immer nicht so recht akzeptieren bzw. argumentiert dann immer sehr unsachlich, dass das bei anderen ja auch so sei …

Kürzlich habe ich mich durchgesetzt und es gab keinen zusätzlichen Kartoffelsalat als Sättigungsbeilage. Meine Brüder und mein Vater haben wie so oft dann das viel zu viel an Fleisch aufgegessen, damit es eben nicht übrig bleibt. Allerdings unter lautem Protest. Ihr egal, „hab ich ja gleich gesagt, dass es nicht reichen wird, hätt ich doch bloß den Kartoffelsalat gemacht.“

PS: mein Schwager, angeheiratet, grillt ja Sommer wie Winter. Am liebsten täglich. Mit einem Gasgrill, für Profis, versteht sich. Und das muss dann sogar meine Mama neidlos anerkennen, dass er, wohl weil so oft, die Portionen recht gut schätzt – weniger Masse, dafür Klasse, oft Fisch und Käse.

Familiengeschichten: Bruder, Onkel, Kater

Ich weiß nicht genau, wie wir beim gemeinsamen Abendessen beim Thema Wünsche angekommen sind … in jedem Fall äußerte der Sohn meines Cousins (10) plötzlich seinen: „ich wünsch mir einen Bruder.“ Allgemeine Überraschung, Staunen, irritiertes Schweigen. Die Familienplanung ist laut Rückfrage bei der Frau Mama abgeschlossen … „Einen Bruder oder einen Cousin …“ zählt er weiter auf. „Oder eine Katze, einen Kater.“

Gut, das amüsierte Schmunzeln der Erwachsenen ist jetzt schon irgendwie nachvollziehbar – oder?

Recht irritiert lauschten beide Kids später meinen Ausführungen, dass ich als Cousine ihres Papas auch einen Onkel R. habe. Eigentlich schon recht schlüssig, denn unser Onkel R. ist schließlich der Vater ihres Onkel R., ihr Opa, Bruder meines Vaters. Ungläubige Blicke der beiden, dann der rettende Gedanke: „Früher hattet ihr ihn, jetzt haben wir ihn …“ Zum Glück haben wir alle beide, jeder eben so, wie er mit dem einen oder anderen verwandt ist 😉 

Und ich musste auf der Heimfahrt sehr grinsen, denn genauso geht es mir, wenn meine Eltern mir familiäre Verhältnisse wie das in Bayern noch sehr verbreitete Geschwisterer-Kinds-Kinder erklären: das Kind des Kindes eines gemeinsamen Vorahnen. So ist die bezaubernde Nichte wahrscheinlich als Tochter meiner Schwester bestimmt Geschwister-Kinds-Kind mit Sohn und Tochter meines Cousins. Geschwister, unser Vater und Onkel. Deren Kinder (meine Schwester und Cousin) und dann die Kids. Oder sind das dann Großcousins? Oder Vetter und Base? … ich werde es nie so ganz kapieren 😉

100. Geburtstag

Liebe Oma, heute wär dein 100. Geburtstag. Geboren im Jahr 1915, ein Kind im ersten Weltkrieg. Aufgewachsen bist du mit einer Geschwisterschar auf dem elterlichen Anwesen, warst eine Großbauerstochter. Dein Vater, ein stolzer Hopfenbauer mit langem Stammbaum, deine Mutter stammte ebenfalls aus einem großen Hof. Sie ist bei der Geburt des jüngsten Geschwisterchens mit dem ungeborenen Kind verstorben. Ihr seid mutterlos aufgewachsen, dein Vater hat für die Zeit untypisch nicht mehr geheiratet. Er hat euch streng erzogen, alles musste ordentlich sein. Zu viel Herzlichkeit gab es nicht, der Betrieb musste funktionieren. Aufgezogen haben euch die großen Geschwister und Kindsmädge. Da war auch die ungeliebte Bertha dabei – sie scheinst du am wenigsten gemocht zu haben? Du warst ein fleissiges Kind, Klassenbeste in der Dorfschule, noch mit über 80 Jahren hast du uns Gedichte und Liedtexte aufgesagt, die du als Kind auswendig gelernt hast. Und kanntest jedes Märchen nicht nur sinngemäß, sondern wortgetreu …

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Deine Kindheit und Jugend lag in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Nach der Volksschule durftest du nach Markt Indersdorf, hast eine weiterführende Schule besucht, dich aber sehr nach zu Hause gesehnt. Brav Briefe geschrieben, um zu berichten. Nie ein persönliches Wort, immer sehr höflich und korrekt. Es kam der zweite Weltkrieg, zum Glück wart ihr vier Schwestern, ein Bruder wurde ausgemustert, der andere Bruder kam unversehrt zurück. Die älteste Schwester war schon verheiratet, du hast meinen Opa geheiratet, als er aus der russischen Kriegsgefangenschaft zurückkam. Mit schon über 30. Deine anderen Geschwister blieben unverheiratet, bewirtschafteten gemeinsam den elterlichen Hof. Von deiner Hochzeit 1949 wurde in den Jahren danach oft erzählt, es war die erste große Nachkriegshochzeit im Dorf, ein fröhliches Fest. Mit einer Musikkapelle, einem Kirchzug, du warst wunderhübsch, ein schlichtes, aber elegantes weißes Kleid, ein Kranz zierte deinen Kopf. Neben dir mein stolzer Opa im feinen Zwirn, die beiden Urgroßväter die stattlichen Trauzeugen. Das Fest fand in der Dorfwirtschaft mit einem üppigen Festmahl statt. Ab deinem Hochzeitstag warst du Bäuerin und Hausfrau, wobei es dir die Urgroßeltern laut den Kindheitserinnerungen meiner Mama nicht immer leicht gemacht haben? Du hast nie geklagt.

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Dann kamen die Kinder, meine Mama hast du zu Hause entbunden, und dass es eine sehr schwere Geburt war haben die Frauen im Dorf selbst mir noch als Kind erzählt. Bei meiner Tante haben die Ärzte dich zum Kaiserschnitt ins Krankenhaus gebracht – und dir geraten, keine weiteren Kinder mehr zu bekommen. Hat auch gereicht, schließlich war das Haus immer voll. Meine Urgroßeltern hatten viele Kinder, die wiederum alle Familien hatten. Die immer kommen durften, es war ein offenes Haus, an dem man sich zu den Feiertagen traf, die Enkelkinder verbrachten die Ferienzeiten auf dem Bauernhof … Eine schöne, unbeschwerte Zeit, für dich immer mit viel Arbeit neben den anderen anfallenden Pflichten verbunden. Dazu kam die Pflege der alternden Urgroßeltern, dein Mann, mein Opa, der an Krebs erkrankte. Meine Eltern übernahmen den Hof, wir Kinder kamen. Und damit hattest du eine neue Aufgabe als Oma. Obwohl ich mich natürlich nicht erinnern kann habe ich das Bild von uns beiden im Kopf, ich als Baby im Kinderwagen, du, die du mich trotz eines Regenschauers unter dem Vordach hin und her schiebst, damit ich an der frischen Luft bin. Du hast uns Kindern das Frühstück gemacht, uns rechtzeitig aus dem Haus gescheucht, nach dem Mittagessen darauf geachtet, dass die Hausaufgaben vor dem Spielen gemacht wurden, mit uns Lesen, Schreiben und Rechnen geübt. Hinter uns hergeräumt, uns verwöhnt, warst oft streng, hättest unsere Freunde als „Hoagart“ oft am liebsten wieder aus dem Haus geworfen. Du warst ehrgeizig – und ganz schön stolz auf jedes deiner Enkelkinder. Und selbst im hohen Alter warst du selbstständig, hast deine Aufgaben erfüllt, dich um alles gekümmert. Es ist dir nicht leicht gefallen, Dinge nicht mehr selber zu können. Wie oft haben wir zu hören bekommen „als ob du das wissen würdest“. Bis weit über 80 Jahre warst du auch fit, hast gekocht, gekehrt, gebügelt, Wäsche verrichtet. Die letzten Jahre warst du auf Hilfe angewiesen, das ging schleichend, zum Schluss warst du in deiner eigenen Welt. Hast Gegenwart mit Vergangenheit vertauscht, so kamen wir immer wieder in den Genuss deiner Wut auf die böse Bertha, die so viele Jahrzehnte überdauerte. Was hat die Ärmste nur mit euch Kindern gemacht? Und konnten über deine Parallelen zwischen Lebenden und längst verstorbenen Personen schmunzeln (oder uns ärgern).
Du warst Zeit deines Lebens ein gläubiger Mensch, hast keinen Gottesdienst ausgelassen, das Rote Kreuz und andere Hilfsorganisationen durch Spenden unterstützt. Der Glaube hat dir durch schwierige Zeiten geholfen, du warst regelmäßig zur Wallfahrt in Altötting. Als Kind muss ich vielleicht sogar öfter dabeigewesen sein, wenn ich Schwarze Madonna höre erscheint sofort das Bild einer Reisegruppe älterer Damen. An einem heißen Sommertag, alle tragen dunkle Kleider, einen Hut, die große Handtasche. Und schwitzen. Ich war schon als Kind sehr geruchsempfindlich, es war eine Qual. Erst am Stand mit den Rosenkränzen vor der Wallfahrtskirche hab ich wieder geatmet (vorher hab ich einfach die Luft angehalten, um an dem Geruch nicht zu ersticken …). Von dir haben wir als Kinder das Beten gelernt, das Abendgebet gemeinsam gebetet, mit dir waren wir in der Kirche, kannten die Abläufe. Du hast uns die Geschichten der Heiligen erzählt. Und du warst stolz auf deinen Namen Maria, jedes Jahr am 12. September kam deine Familie zum Namenstagfeiern zusammen, es gab Kaffee und Kuchen …

Ich wäre gern bei dir gewesen, um deine Hand ganz am Ende zu halten. Wäre nicht der dämlichste Stau dazwischengekommen, den ich in meinem Leben erlebt habe, dann wär ich bei dir gewesen. Wie du so oft bei mir gewesen bist. Ich denk heute ganz besonders an dich und dein Leben, wir haben nur einen kleinen Bruchteil mit dir erleben dürfen. Manchmal hätt ich mir gewünscht, mehr über deine Gedanken und Gefühle zu erfahren, aber das war nicht deine Welt, darüber wolltest du nicht so gerne sprechen. Alles Liebe zum 100. Geburtstag, liebe Oma

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