Gestern abend hat mir ein alter Freund erzählt, dass das Baby seines Freundes „Musik im Blut“ hat. Mit nicht mal einem Jahr tanzt der Kleine, wann immer er einen Klang hört. Das kann Radio sein, kann aber auch an der Supermarktkasse vorkommen oder in der Gondel bei der Fahrt auf den Berg. Superschön, wenn man so musikalisch ist? Mittanzt, gut gelaunt ist, lächelt, später wahrscheinlich auch mitsingt?
Ich hab mein Leben lang gesungen, hab als ca. Vierjährige die ganze Nachbarschaft sitzend auf dem Gartenzaun mit der Ankündigung belustigt, dass ich mal die größte (ich nehme an, ich meinte die beste) Sängerin aller Zeiten werde. Singen war für mich so ziemlich das Größte. Es hat mich entspannt, hat zu meiner Solzialisierung beigtragen. Es hat mich beschäftigt,Kirchgänge wurden ab dem Zeitpunkt, als ich Noten und die Liedtexte lesen konnte, spannend. Ausflüge als Schulkind oder Teenager wären ohne Musik nicht mal ansatzweise so toll gewesen. Später hab ich nicht mehr nur in der Gruppe gesungen, wurde Solist, habe gemerkt, was meine Stimme bewirken und leisten kann – und habe selbtsverständlich auch meine Grenzen kennengelernt. Ich singe heute noch gern und höre unglaublich viel Musik. Musik gehört zu meinem Leben ganz fest dazu, ist ein nicht wegzudenkender Bestandteil.
Und für mich gehören zur Musik auch immer andere Menschen. Gestern abend saßen zwei davon mit am Tisch, sie waren viele Jahre lang meine Männerstimmen, haben mit mir gesungen, wir waren so aufeinander eingesungen, dass ich noch heute aus dieser Zeit zehre. Wenn du Musik miteinander machst, kommst du dir sehr nah. Musiker untereinander kennen keinen Neid, es gibt nicht umsonst diesen Spruch „Wo man singt und musiziert, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen kennen keine Lieder“. Klar, es gibt Wettbewerb, gerade als Solist musst du stark und besser als alle anderen sein. Aber in der gemeinsamen Musik ist man auch wieder vereint, kein Solist kann ohne Begleitung glänzen, im Chor muss man harmonieren, die verschiedenen Stimmen bringen ein Stück zur vollen Klangfarbe, gute Stimmen sind beeindruckend, sie werden perfekt, wenn die begleitenden Instrumente sie nicht zu übertönen versuchen ….
Wenn eine Runde Musiker zusammensitzt ist es meist sehr gesellig, es werden viele Geschichten erzählt und in den seltensten Fällen wirds langweilig. Gerade gestern abend sind wir in die Erinnerungen an eine Hochzeit eingetaucht, die wir letztes Jahr gemeinsam musikaklisch umrahmt haben: einer von uns war damals der Bräutigam, stand nicht neben uns oben auf der Empore der zauberhaften Kirche, sondern war unser Zuhörer. Das war krasser als vieles, was wir schon gemeinsam gemeistert haben. Ganz ehrlich, wir haben Blut und Wasser geschwitzt. Und trotzdem aus ganzem Herzen und mit der Fülle an Stimme, die uns in der Situation zur Verfügung stand, gesungen. Die ganze Emotion hat vielleicht nicht den besten Auftritt unseres Lebens herausgeholt – aber einen, den es in der Form nie wieder geben wird. Wir haben für den gesungen, der wie wir Musiker ist. Der uns lange Jahre begleitet hat, mit dem wir eine gesangliche Einheit waren. Der unser Freund war und ist. Und das in allen Höhen und Tiefen.
Ich mag Musik, singe gerne – bin nicht die beste oder größte Sängerin aller Zeiten geworden – und bin froh, dass ich mir dieses Hobby seit meiner Kindheit erhalte und es trotz eines hektischen, beruflichen Alltags immer noch pflege. Auch, weil es mir eine Gemeinschaft gibt und mir einige sehr wichtige Freundschaften erhält, die ansonsten durch den Lauf der Zeit im wahrsten Sinn des Wortes verklingen würden ….
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