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Momentaufnahmen #14

Was für eine Frage – Aequtitas et Veritas möchte gerne wissen: Wenn du irgendwo auf dieser Welt leben könntest – eine Zeit lang oder auch für immer – wo wäre das?

Eines kann ich sagen: es wäre nicht EIN Ort. Sondern eben viele. Spannend fände ich nämlich tatsächlich, es wie Maike Winnemuth zu machen. Ein Jahr, zwei oder wer weiß, vielleicht sogar fünf Jahre von einem spannenden Ort zum nächsten zu gehen. Dort aber eben immer auch wirklich in einer ortsüblichen Wohnumgebung zu sein. Sich heimisch fühlen für eine gewisse Zeit. Dabei würde ich gerne abwechseln, damit es nicht „nur“ Stadt oder Land ist. Also zum Beispiel 4 Wochen Rom, danach 4 Wochen Santorin, danach 4 Wochen Tel Aviv, dann irgendwo am Nil … und so weiter. Mir fallen sehr viele Städte ein, die ich teilweise schon kennengelernt habe, die ich aber gerne anders bewohnen würde, als in einem Hotel. London, New York, Kapstadt, St. Petersburg oder Sydney zum Beispiel. Dann schlägt mein Herz aber auch für Landgüter in der Toskana oder Provence, ein Weingut in Neuseeland, Südafrika oder Kalifornien … Dann noch das kleine Cottage in den Cottswolds, das farbenfrohe Haus an einem norwegischen Fjord, das Sommerhaus in den Schären und der kleine Hof in den Masuren …

Besonders gefallen hat mir übrigens, wie sie (also Frau Winnenmuth) in „Das große Los“ den Erziehungsstil ihrer Eltern im Buch beschreibt: „Ihr habt mich ziehen lassen, und zwar ziemlich früh. Euer Aufzuchtprinzip war konsequente Freilandhaltung. … Dass ihr euch nie um mich gesorgt habt (oder es euch zumindest nicht habt anmerken lassen ), habe ich nie als achtlos empfunden, ganz im Gegenteil: es war der größte Liebes- und Vertrauensbeweis, den ich mir wünschen konnte.“ Das zeugt von großem Vertrauen, in das eigene Kind, aber auch in die Welt. 

Wenn es also möglich wäre, würde ich von ihrem Vorbild inspiriert wahrscheinlich von einem Kontinent zum anderen ziehen und überall Momente einsammeln. Dabei wäre immer klar, dass ich weiß, wo ich danach hingehen kann, um all diese Eindrücke zu sortieren. Und zu reflektieren. Weil ich danach wieder zu Hause ankommen kann, wo ich daheim bin.

Wenn schon mal ein Känguru ausbüchst …

Besondere Geschichten üben auf Erwachsene und Kinder eine unterschiedliche Magie aus und befeuern die Fantasie:

Ich habe mich in den vergangenen Wochen köstlich über Meldungen amüsiert, dass ein Känguru gar nicht mal so weit von meinem Zuhause im Holledauer Hügelland gesichtet wurde. Habe mir bildhaft ausgemalt, wie sich das Tier beim Einsatz von Feuerwehr und Polizei in einem Rapsfeld erst versteckt hat und dann mit großen Sprüngen in die Einsamkeit gehüpft ist. Futter gibts genug und zum Glück ist es ja auch nicht mehr so kühl … Und mir hat dieses Kopfkino komplett gereicht, um immer wieder zu lächeln.

Bei Nichte 2.0 habe ich mit der Erzählung den tiefen Wunsch geweckt, „da hin zu fahren“. Sie ist ja sehr gewieft. Samstag haben wir uns nämlich gar nicht mal so weit weg vom gesichteten Känguru bei der Osteophatin getroffen. Und da wurde ich ganz lieb gefragt, ob sie denn bei mir im Auto mitfahren könne, weil ich ja anschließend zu Besuch kommen würde. Dann wurde ich ganz heimlich noch viel lieber gefragt, ob wir nicht einen kleinen Umweg fahren könnten, „um mal nachzusehen, ob das Känguru noch da sei.“ Ich bin sehr fasziniert, dass sie sich sogar den „Wohnort Wildenberg“ gemerkt hat …

Tja, was soll ich sagen: wir haben natürlich einen kleinen Umweg in Kauf genommen und überall „rund um Wildenberg“ die Augen aufgehalten, ob „unser“ Känguru nicht doch vor uns über die Straße hoppelt, auf dem Spielplatz spielt oder sich ein Eis holt … Hat es aber nicht. Stattdessen haben wir uns ein Eis geholt und dabei ganz pragmatisch Pläne geschmiedet. Schließlich kann das Känguru nicht für immer in der Natur bleiben. Sobald wir also wissen, wann es in welchen Tierpark zieht, gibts den nächsten Nichten-Tanten-Ausflug – und beim Besuch werden wir ihm einfach erzählen, dass wir es auch „in Freiheit“ schon beinahe getroffen hätten 😉

Momentaufnahmen #10

Im Schreibprojekt stellt aeqitas et veritas die 10. Frage: Kannst du dir eine politische oder gesellschaftliche Situation vorstellen, in der du dich für zivilen Ungehorsam entscheiden würdest?

Um „ziviler Ungehorsam“ korrekt zu definieren und verstehen musste ich im ersten Schritt Wikipedia bemühen und dann erst mal sehr gründlich nachdenken. Denn ganz ehrlich, ziviler Ungehorsam bedeutet nicht, dagegen sein oder protestieren. Per Definition ist es eine Form politischer Partizipation. Also nicht nur anderer Meinung sein und das demonstrieren. Sondern bewusst anders agieren, (politisch) gegen eine Regierung bzw. gesellschaftliche Regeln aktiv werden.

Und das kann ich dann doch nicht mal schnell mit einem Ja oder Nein beantworten. Ich genieße seit meiner Geburt das große Privileg, in einer Demokratie mit freier Meinungsäußerung leben zu dürfen. Auch wenn mich manche Entscheidungen und Entwicklungen innerlich oft schier zerreißen, ich muss es aushalten, wenn es auch mal nicht nach dem geht, was ich für wichtig und richtig erachte. Denn jede Einflussnahme, die das unterdrücken würde, würde nicht dem Grundrecht der Demokratie entsprechen … Und es ist das Wohl der Mehrheit, an dem sich alles ausrichtet. Was meistens den meisten darin zusammenlebenden Menschen zu Gute kommt. Ja, ich protestiere gegen einiges und darf meine Meinung frei äußern. In der Demokratie, von der ich meist profitiere, bin ich aber auch bereit, mein Ich und auch meine persönlichen Bedürfnisse manchmal hinter ein Wir zurückzustellen.

Bei jeglicher Entwicklung in eine menschenverachtende Richtung, bei dem Versuch, Frieden und Freiheit zu beschränken, bei einer diktatorischen oder das Volk nicht mehr einbeziehenden Richtung, einem Verbot der (freien) Meinungsäußerung, ja, dann möchte ich gerne zivil ungehorsam sein und wünsche mir, dass so eine Situation nie eintritt. Und zwar im mich umgebenden System ebenso wie im ganz privaten Umfeld … Gewalt, Eskalation oder Krieg sind keine Lösung, nie. Es muss immer einen Weg des Friedens geben. Punkt.

Müde

Ich find den Begriff „Corona-müde“ schon SEHR zwei- bzw. vieldeutig. Dummerweise leiden nämlich all diejenigen im Bekanntenkreis, die im Frühjahr an Corona erkrankt sind, tatsächlich an einer ständigen, bleiernen Müdigkeit. Insofern ist die Formulierung für alle anderen, die das für sich in Anspruch nehmen, sich „Normalität“ zurück wünschen, ein bisschen oder besser fast schon auf skurrile Weise absurd …

Ein Gedanke, der mich gerade wirklich beschäftigt: Ja, die Politik versucht, auch diejenigen, die sich eben nicht an die sehr einfachen Regeln halten, irgendwie dazu zu bringen, andere nicht zu gefährden. Aber doch genau deshalb, weil sich, wie gerade geschrieben, einige nicht an die sehr einfachen und – zumindest mir so erscheinenden – Regeln halten: AHA+ L(+A) :

  • Abstand einhalten
  • Hygiene ernst nehmen (also Händewaschen gilt übrigens immer noch als recht probates Mittel – ich mein ja nur)
  • Alltagsmaske tragen
  • jetzt im Herbst/Winter wurde um regelmäßiges Lüften ergänzt
  • die Corona-Warn-App nutzen

Und ich bedanke mich hiermit bei allen, die sich wie ich daran halten.

Dummerweise erlebe ich gerade bei gar nicht mehr so wenigen Menschen in meinem Umfeld regelrecht asoziales Verhalten. Das geht von eigenen oder geteilten Hassreden in den sozialen Netzwerken über „Ich lasse mir nicht verbieten, zu feiern – wann, wie oft und mit wem ich will“ bis zu direkten, persönlich-verletztenden Angriffen auf „euch dumme Schlafschafe“, dass ich von meiner Anspannung diesen Verhaltensweisen gegenüber (und dem hoffentlich unmittelbar folgenden Entfreunden …) müde werde …