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Momentaufnahme #11

Da ich in den letzten Tagen schlicht weder zum Denken geschweige denn zum Schreiben gekommen bin, weil so viel feierndes Leben um mich war – mehr schreib ich dazu jetzt einfach mal nicht – gibt’s heute eine späte Reflektion zur 11. Frage in den Momentaufnahmen von aequitas et veritas, die da lautet: sagst du anderen die Wahrheit oder wahrst du lieber den Frieden?

Da gibt es die Diplomatin in mir, die vor allem im beruflichen Umfeld durchaus die Fakten auf den Tisch bringt, aber fair. Ich sage also nicht: die Kollegin ist faul, erledigt ihre Aufgaben nicht und bereitet dadurch anderen Mehrarbeit. Obwohl das wahr ist. Sondern ich formuliere es als „mache mir Sorgen um das Projekt, irgendwie ist da der Wurm drin – wir müssen dringend schauen, wo die Probleme liegen und jetzt fokussiert daran arbeiten.“ Das ist jetzt nur eines von vielen Beispielen, aktuell eben. Ich vermute, ich definiere mich immer nur als ein Teil des Ganzen? Teamorientiert eben. Meine Diplomatie wurde zumindest sogar schon von Vorgesetzten zur Hilfe genommen, die mit dieser Gabe nicht so gesegnet sind.

Im engsten Kreis mit Familie und Freunden bin ich meist auch so – aber hin und wieder auch gnadenlos ehrlich. Oder ich bleibe, aus Rücksicht oder Ohnmacht, sprachlos. Das wechselt, je nach Situation, betroffenen Personen und Hintergrund. Hier verhalte ich mich nicht immer diplomatisch, versuche es aber … um des lieben Friedens willen.

Und dann gibt’s die Situationen, in denen ich einfach nur ehrlich sein kann. Das passiert mir oft in einem Umfeld, das ich eher beobachte, als Teil davon zu sein. Und die Beobachtung wird zur Wahrheit. Die aus mir raussprudelt. Das ist mir vor allem in meinen ersten Berufsjahren häufig passiert, wenn man in zwar beruflich bedingten, aber eher in privat anmutende, weil nette Situationen, kommt. Oder mein langjähriger Studentenjob im Service an der Kneipentheke. Da waren zahlreiche Fettnäpfchen auf meinem Weg und ich hab nur wenige ausgelassen 😉

Narrenfreiheit [*.txt]

Kinder und Narren sagen die Wahrheit. Heißt es. Sagt man so. Was genau hat es mit dieser vielzitierten  Narrenfreiheit zu tun? Wer definiert, welche Freiheiten sich ein Narr herausnehmen darf? Welche Wahrheit zählt? Wie ist es, wenn eine sogar nur scheinbare Machtposition ausgenutzt wird? Wo ist die Grenze zwischen Narrenfreiheit und nicht ok? Wenn Verhalten Grenzen überschreitet, andere Menschen gefährdet, seelisch oder körperlich zu weit geht …? Das Leben ist kein Ponyhof, darf man sich als Erwachsener so benehmen? Mimimi und so? Ein bisschen wie der Stärkste im Kindergarten, tust du nicht, was ich will, dann hau ich dich …

Die Freiheit des Narren hat in der ursprünglichen Definition etwas mit Ehrlichkeit zu tun. Traditionell hatte der Narr an den Höfen des Mittelalters die „Freiheit“, den hohen Herren Wahrheiten vor Augen zu halten. Jetzt die Frage: wie funktioniert es andersherum? Also wie hält man dem Narren, der sich mit seinem Verhalten lächerlich macht, den Spiegel vor?

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Ein Beitrag zu Dominiks [*.txt]-Projekt, das 8. Wort lautet „Narrenfreiheit“.

Von Kindern lernen: Ehrlichkeit

Kinder sind herzerfrischend ehrlich, klar, sie schwindeln auch. Aber oft staune ich sehr, wie geradlinig sie Dinge einfach mal sagen. Zum Beispiel der Große. Der durfte kürzlich mit der Frau Mama zum Neujahrs-Empfang der Pfarrei, weil er ja fleißiger Ministrant ist. Die beiden essen Schnittchen am Stehtisch und kommen dabei mit einer Dame im besten Alter ins Gespräch. Die sich interessiert erkundigt, mit wem sie es denn zu tun hat. Zur Schule befragt gibt Monsieur Auskunft, dass er die vierte Klasse der Grundschule im Viertel besucht. Sie stellt fest: „Dann geht’s für dich jetzt um die Frage, auf welche weiterführende Schule du gehst, gell?“ Er antwortet ohne Zögern:“Ohne angeben zu wollen, ich habe fast nur Einsen und ein paar Zweien, ist ja wohl klar, dass ich aufs Gymnasium gehe.“ Und isst genussvoll weiter, war ja schließlich nur eine ernsthafte und vor allem ehrliche Aussage, selbstbewusst und selbstreflektiert. 

Wir Erwachsenen sind ja oft alles andere als ehrlich, nicht mal uns selbst gegenüber. Und dann kommt uns auch noch dazwischen, dass wir uns selbst zwar gut, aber nicht zu gut dastehen lassen wollen. Ist das eine Form von Diplomatie? Falsche Bescheidenheit? Ich weiß es nicht. In jedem Fall beobachte ich mich selbst immer wieder, statt das zu sagen, was ich eigentlich aussprechen möchte, etwas eigentlich ganz anderes zu sagen. Hm. Vielleicht gar nicht so schlecht, sich mal wieder etwas kindliche Ehrlichkeir vorzunehmen?