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Das erste Konzert

Für eine Patentante ist es nicht selbstverständlich, bei den markanten ersten Malen dabeizusein. Umso wertvoller wenn es zeitlich klappt. So bin ich gestern rechtzeitig zum Hausaufgaben machen bei den Münchner Patenkindern eingetroffen, habe erlebt, wie schwer Konzentration fällt, dass der Kopf mit harschen Worten zum Denken motiviert werden muss. Um dann mit dem Bus loszusausen und Mademoiselle rechtzeitig zur Generalprobe für ihr erstes Konzert zu bringen.

Die Wartezeit haben Monsieur, seine Mama und ich genutzt, um durch einen uns unbekannten Straßenzug zwischen Königsplatz und Stachus zu „stromern“. Um festzustellen, dass er gar nicht so fremd ist. Neu entdeckt haben wir das Innere von Sankt Bonifaz – und waren schwer beeindruckt von der Pforte: außen erklärende Worte zu Leben und Wirken des so viele Bistümer gründenden Märtyrers, innen ein geschnitztes Bild, Menschen, die sich verbinden, zusammen halten. Sehr beeindruckend. Danach waren wir auf einen wärmenden Stop im Parkcafe, mit Blick auf die Eisstockbahn im Biergarten, ja, das wäre auch nett gewesen, aber wir hatten ja was anderes vor …

Nämlich mit knapp 250 anderen den Werken der Neulinge bei den Jungen Chöre Münchens zu lauschen. Dass das Erlebnis an und für sich eine Studie wert wäre, muss ich nicht betonen. Manche Eltern so stolz, andere so ehrgeizig, jeder möchte seinen Nachwuchs fotografieren, filmen, die einen stehen dazu auf, die anderen sind davon genervt …. dazwischen die Lehrer, die so etwas so oft machen, trotzdem läuft es chaotisch, eine echte Konzertstimmung mit aufgeregten, müden, wuseligen, mehr oder minder konzentrierten Kindern eben.

Ich hatte, obwohl ganz hinten, Mademoiselle genau im Blick. Sie singt nach der dritten Probe konzentriert, achtet auf die Dirigentin, hat gute Einsätze und sehr viel Freude. Und kommt nach dem Konzert tief beseelt, ja, es macht ihr Spaß. Jetzt müssen alle gemeinsam entscheiden, ob sie weitermachen wird, denn das ist mit viel zeitlichem Aufwand und auch Kosten für die ganze Familie verbunden.

Nicht zu vergessen: Am meisten ist mir gestern ein kleiner Bruder aufgefallen, der mitgekommen war, um im Publikum einem größeren Geschwisterkind zuzuschauen. Na ja, nicht wirklich. Er hat von der ersten bis zur letzten Sekunde musikalisch mitgewirkt, auf seinem Platz dirigiert – und gar nicht mal schlecht. Im Gegenteil. Ja, da sind sie, mittendrin, viele kleine Talente. Und mal Eltern mit all ihren ehrgeizigen Plänen zur Förderung des eigenen Nachwuchs hin oder her: ein Kind, das mit Spaß Musik machen möchte, ist hier richtig.

Als ich zehn war

Lutz fragt, wie das war, als ich zehn war. Irgendwie ist das keines der Lebensjahre, das mir besonders in Erinnerung geblieben wäre, zu dem ich auf Anhieb etwas zu erzählen wüsste. Also eines kann ich sagen: damals hat es sich zumindest nicht sehr besonders angefühlt. Das, was wir heute aus unserer Erwachsenensicht als so einen wichtigen Meilenstein sehen, dieses erste Jahrzehnt, mit dem ein Stück Kindheit endet, man zum Teenager wird, Pubertät beginnt, Weichen für die Zukunft gestellt werden … Kam mir in meinem damaligen kindlichen Ich keineswegs wichtig noch erwähnenswert  vor.

An eins kann ich mich dann aber mit etwas Nachdenken gut erinnern: es handelt sich quasi um die erste „Irritation“ – nennen wir es mal so – mit einem Vorgesetzten. Mit meinem Klassenlehrer nämlich. Als Zehnjährige war ich Viertklässlerin und es ging  um den Übertritt ans Gymnasium. Waren meine Noten in der Dritten sehr gut gewesen hab ich in der Vierten gefaulenzt. Das konnte und wollte mein Lehrer, der gleichzeitig Schuldirektor war, nicht akzeptieren. Hat meine armen Eltern zu sich bestellt, um ihnen den Ernst der Lage klarzumachen. Mit wenig Erfolg, denn meine Eltern waren auch damals schon der Überzeugung: wenn sie nicht wirklich will, dann muss sie nicht. Sie kannten meinen Dickschädel schließlich ein paar Jahre länger.

Als „Strafe“ für mein Leistungstief hat er mir mehrfach in der Klasse meine verschlechterten Noten vorgehalten – weder meine Mitschüler noch ich konnten wirklich nachvollziehen, wieso eine 2 in Deutsch (Vorjahresvergleich 1) oder eine 3 in Mathe (einen Test vorher eine 2) ihn in solche Aufregung versetzte. Teil 2 seiner Maßnahmen war dann,  dass ich bei der Verabschiedung des äußert beliebten Pfarrers nicht wie geplant ein langes Gedicht allein aufsagen musste, sondern halb-halb mit meiner damals besten Freundin. Hm. Also, er hat es zumindest als Bestrafung „verkauft“. Eigentlich hat er mir damit natürlich einen riesengroßen Gefallen getan.  Denn so standen wir zu zweit vor einer ganzen Halle, gefüllt mit Erwachsenen, alle sich wichtig nehmenden Gästen. Wir beide, ordentlich aufgebretzelt, im farblich aufeinander abgepassten Dirndl, mit zurechtgemachten Haaren … Allein hätt ich mir in die Hose gemacht, zu zweit haben wir das recht gut hinbekommen. Jawoll.

Im nachhinein ist mit klar: er hat als Erster erkannt, dass mir vieles zufliegt, ich also in manchen Bereichen nicht so viel lernen musste wie andere. Mir aber der Ehrgeiz fehlt, das in meine schwachen Fächer zu investieren, um dort besser zu werden. Interessant, dass mich mein „nur“ gutes Übertrittszeugnis dann selbst gewurmt hat, zum Jahresende hab ich die Grundschule mit einem Einser-Schnitt verlassen. Aber wie auch im seitherigen Leben: Vorgesetzte finden selten die passenden Methoden, meine Leistung zu verbessern. Das muss aus mir selber kommen.

Danke für den schönen Impuls zum Zurückdenken, hier und hier finden sich gesammelte lesenswerte Erinnerungen von so ganz unterschiedlichen Zehnjährigen.

Mensch ärgere dich nicht

Leichter gesagt, als getan: nachdem ich seit einigen Wochen wieder das Gefühl habe, dass ich in meiner Wohnung nicht immer Warmwasser und vollen Wasserdruck habe, heute morgen in einem – nach einigen Minuten dann erfreulicherweise zumindest – lauwarmen Rinnsal geduscht habe UND mein Geschirrspüler kein heißes Wasser produziert, mein Geschirr ergo schmutzig bleibt … war die Zeit reif, meinen Vermieter anzusprechen. Kurzer Exkurs: ich hatte in den letzten Jahren immer wieder Probleme mit Wasser. Das gipfelte in morgendlichen Duschen, bei denen das Wasser innerhalb einer hundertstel Sekunde von warm auf eiskalt, brühend heiß, dann wieder kalt schaltete. Nicht sehr angenehm? Hat mir im November auch eine bös expoldierte Ader im Auge beschert. Also kontaktiere ich vormittags meinen Vermieter, schildere meine Probleme und biete an, ihn bei der Lösung des Problems konstruktiv zu unterstützen, wo ich kann. Seine Reaktion: „Liegt nicht nur an den Wasserhähnen, die vielleicht verkalkt sind?“ … Ja, nein, sehr gerne werde meinen Abend damit verbringen, das gründlich zu überprüfen. Mensch ärgere dich nicht …

Wann hab ich das eigentlich zum letzten Mal gespielt? Sollte ich vielleicht heute abend dann nach dem Check machen. Da kann man sich so herrlich aufregen, lachen, über sich selbst, über andere. Welcher Typ seid ihr? Gewinner oder Verlierer? Locker oder relaxed? Ich bin Spieler, will zwar gewinnen, wenn ich keine Chance sehe habe ich aber schon längst mit der aktuellen Runde abgeschlossen. Und bin gedanklich weiter, in der nächsten Chance. Als Kind kann ich mich erinnern, dass meine Schwester durchaus mal das Brett vor lauter Wut leergefegt hat, wenn jemand anderes gewonnen hat. Mensch ärgere dich nicht hat übrigens Geburtstag, eigentlich ein guter Anlass, das mal wieder aus dem Schrank zu holen, oder?

Ach ja: Rinnsal sei Dank hab ich heute einen total verkorksten Bad Hair Day – Mensch ärgere dich nicht?