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Sonntagsfreude: Internationaler Denkmaltag

Den Mottotag heute nehme ich einmal mehr zum Anlass, ein paar philosophische Gedanken darüber niederzuschreiben, dass gerade der Gebäudesektor ein Bereich ist, in dem heute leider aufgrund unseres Überflusses viel zu oft nicht nachhaltig gedacht wird. Nicht nur große Bauten sollten als Denkmal gesehen werden, jeder Bau ist darauf ausgelegt, nicht nur ein paar Abschreibungsjahre zu überdauern. Kaum ein Gebäude wird so schlecht und günstig errichtet, dass es nicht mal 50 Jahre „leben“ darf.

Allein in den vergangenen Wochen hatte ich mehrere Gespräche, immer drehte es sich um das Thema: wie leicht heute ein durchaus noch erhaltbares Gebäude aus dem Weg geräumt wird. Um „schön neu“ zu bauen. Was aber passiert mit dem, was darin verbaut wurde? Gar nicht mal so selten nicht abbaubarer Sondermüll. Mein alter Freund bekommt viel mit, was im Landkreis an Neubau geplant und umgesetzt wird. Er ist mittlerweile wirklich sorgenvoll, weil die Kommunen so oft Bauprojekte genehmigen, die schlicht an den Bestandsbewohnern vorbei geplant werden. Dass das für bestehende und neue Anwohner nicht zufriedenstellend ist? Ist den Planern wohl wurscht … seufz.

In meinem Heimatort ist wieder einmal ein süßes kleines Häuschen „weggeschoben“ worden – dumm, dass ich dem stolzen Bauarbeiter dafür kein „Like“ geben konnte. Auf meine kritische Frage, was da jetzt gebaut wird kam keine Antwort. Ich hab mich aber schlau gemacht, ein weiteres Mehrfamilienhaus. Mitren in einer Siedlung mit lauter kleinen Einfamilienhäusern. Der Neubau einer Mietanlage wurde trotz Wohnungsleerstand genehmigt. Da das kleine Häuschen auf einem kleinen Grundstück stand gibt’s da übrigens in Zukunft auch keinen Grashalm mehr drum herum … fügt sich richtig schön in so eine dörfliche Gemeinde ein.

Und gestern habe ich unerwartet ein langes Gespräch mit einer etwa gleichaltrigen Frau geführt. Ich habe angehalten, um den blühenden Kirschbaum vor dem wunderschönen Wohnhaus zu knipsen – und wurde von der Tochter des Hauses darauf hingewiesen, dass sie das nicht erlaube (was völlig ok ist, auch wenn ich ohnehin nicht das Bild machen konnte, das mir vorschwebte …). Die Mutter kam dazu, beide waren verwundert, dass ich das 1910 erbaute Haus so schön finde. Das Familienoberhaupt plane einen praktischen modernen Neubau, das alte Haus werde wohl „entsorgt“… Dann unterhält man sich und merkt, was als alt angesehen wird ist nur die in die Jahre gekommene Fassade. Ich hab einfach mal frech erwähnt, dass das auch bei einem modernen Haus nach ein paar Jährchen so kommen wird. Und dann mit meiner eigenen Renoviererfahrung ein paar Aspekte eingebracht … und die aktuelle Förderung durch staatliche Mittel erwähnt.

Ja, ich gestehe, dass ich mittlerweile viel zu viele, oft leerstehende, Häuser ins Herz geschlossen habe. Die alle wert wären, erhalten zu bleiben. Ich werde es hier auch hin und wieder mal „erwähnen“, denn auch ältere Bauten haben mindestens meine Wertschätzung verdient. Und es sollte zumindest geprüft werden, ob sie zukunftsfähig renoviert werden können, statt einfach nur Schutt auf die stetig wachsenden Müllberge zu schaufeln …

Sonntagsfreude: Aufregung

Wenn auf dem Dorf am Wochenende zwei Mal die Feuerwehr aus- bzw. anrücken muss. Gestern und heute heulte jeweils gegen halb 12 die Sirene. Gestern hat ein Neubau zum Glück nicht gebrannt, aber so ein Schmorbrand ist auch nicht schön. Heute war ich eben von der Morgenrunde zurück und dabei, die dreckigen Schuhe auszuziehen. Auf der Straße schiebt eine junge Mutter ihr Baby im Kinderwagen vorbei und sagt ihrem vorausradelnden großen etwa 3jährigen, er soll aufpassen. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern. Ein paar Sekunden später, ich höre ein Auto, dann einen lauten Knall – und dann Schreie …

Glück für mein Seelenheil: der junge Autofahrer hat „nur“ sich selbst und sein Auto an den betonierten Gartenzaun gesetzt. Das aber gründlich. Ich bin irgendwann auch – dann wieder mit Schuhen – los, da war aber schon Hilfe aus der Nachbarschaft da. Dann kam schnell Feuerwehr, Notarzt, Polizei … was für eine Aufregung. Und irgendwas ist im Dorf mit Unfällen im Gartenzaun, das waren ein paar zu viele für innerorts in den letzten 5 Jahren.

Ich mach dann mal sehr ruhig, heute Nachmittag, so viel los, zu viel für ein-mein Wochenende.

Sonntagsfreude: Schnee in der Luft

Zeit haben, um aus dem Fenster zu schauen.

Zeit haben, um Schneeflocken beim Tanzen zuzuschauen.

Zeit haben, um die Schneedecke auf Dächern, in Gärten und auf allen Wegen zu bewundern.

Zeit haben, um durch tiefen und gar nicht tiefen Schnee zu wandern.

Zeit haben, um durch den Schnee zu stapfen.

Zeit haben, um Spuren im Schnee zu entdecken und selbst zu hinterlassen.

Zeit haben, um Schneemänner zu bauen und Schlitten zu fahren.

Zeit haben, um den Schnee auf Wiesen, Feldern und in den Wäldern zu bewundern.

Zeit haben, um Schnee zu räumen.

Zeit haben, um auf den Schneeräumdienst zu warten.

Zeit haben, um den Schnee in der Luft tief einzuatmen …

Zeit haben – für den Winter.

Das mit der ländlichen „Bauordnung“

Weil es mal gesagt und aufgeschrieben werden muss.

Da werden im Dorf mit seinen eigenen Strukturen große Mietshäuser mit Wohnungen genehmigt. Darauf folgen Mieter. Die sich in der dörflichen Struktur und in ihrer da im Vergleich recht kleinen Wohnung nicht wohl fühlen. Da kräht ein Hahn. Oder es muht eine Kuh. Und der Gestank. Und diese bösen Bauern. Die fahren Tag und Nacht mit ihren großen lauten Maschinen. Das geht so nicht.

Dann sind da Besucher. Die man mit touristischen Programmen in die ländliche Idylle zieht. Jetzt kommen dies Besucher – und finden gar nicht das dörfliche Leben vor, das man Ihnen in der Werbung verspricht. Sondern sie finden landwirtschaftliche Großbetriebe mit riesigen baulichen Werken, Hallen, Ställen und noch mal Hallen vor. Die versprochenen Tiere sind hinter den Wänden gar nicht zu sehen. Und Mietshäuser wie in der Stadt hats da auch noch. Das weckt Unmut.

Schließlich wären da ja auch noch die Bewohner. Also die, die da schon vorher gewohnt haben. Und auch hinterher zuschauen müssen, wie eigentlich bewohnbarer Wohnraum vor sich hin verfallen muss darf. Damit er irgendwann abgerissen werden kann, um der nächsten Mietskaserne Platz zu machen …

Es ist jetzt ganz egal, was genau für wen ärgerlich ist. Die Frage ist doch eigentlich, wer das alles erlaubt. Also wer die Baugenehmigungen erteilt. Für viel zu große, gar nicht mehr land- sondern nur noch wirtschaftliche Unternehmen. Für Bauwerke, die man so auch in der Peripherie der Millionenstädte findet. Für Masse statt Klasse. Für viel zu viel statt klein und fein.

Es sei mir gestattet, mich zu wundern, schließlich gibt es im angeblich schönsten Bundesland sogar ausdrückliche Bauförderprogramme unter dem Motto „Unser Dorf soll schöner werden“ bzw. „Unser Dorf hat Zukunft“. Im Mittelpunkt die Dorf- und Landentwicklung im ländlichen Raum – mit Förderung von einheimischen Bauvorhaben und vor allem finanziellen Mitteln für die Erneuerung bestehenden Wohnraums, also für Renovierung … Im Leitfaden zur Entwicklung des für meinen Heimatort zuständigen Landkreises heißt es wörtlich: „Die Verfügbarkeit von vorhandenen Gebäuden zur Schaffung von Wohnraum soll durch geeignete Maßnahmen erhöht werden.“

Auf meine Frage, wie es passieren kann, dass im Ort meiner Kindheit und Jugend vorhandene Wohngebäude mit durchaus ausbaufähiger Bausubstanz weggerissen werden, damit große Finanzierungsprojekte mit Mietkasernen umgesetzt werden können – übrigens von weder lokalen noch regional ansässigen Investoren – ist die lapidare Antwort des zuständigen Bauplaners: „Das ist uns durchgerutscht.“

Und wisst ihr, was das Schlimmste ist? Die Menschen in diesen Mietanlagen auf dem Land fühlen sich in diesen schnell hochgezogenen, auf Abschreibung ausgelegten, mit billigen Baumaterialien erbauten und in wenigen Jahren renovierungsbedürftigen Bauwerken nicht wohl. Dazu sitzen sie fernab der Städte, bezahlen eine viel zu teure Miete …

Das. Ist. Nicht. Gut. Geplant.

PS: In unserem wenige Seelen großen Dorf hat einer, der hier aufgewachsen ist, sein Leben aber in München verbracht hat, sein Elternhaus mit Grundstück verkauft. An einen Finanzinvestor. Der auf der nicht großen Fläche eine Mietanlage mit 12 Wohneinheiten baut. Übrigens ohne Park- oder Grünflächen. Ich habe mal nachrechnet: in einem Ort mit weniger als 400 Bewohnern aktuell kommen bei einer durchschnittlichen Belegung mit 2 Personen pro Wohneinheit also bald 24 neue dazu. Wahrscheinlich jede Wohneinheit mit zwei PKW, also jeweils ein Fahrzeug zu viel, da es ja nur 12 Stellplätze gibt (ist den Planern ja „durchgerutscht“).

Ich fasse zusammen: Mehr als 1 Prozent Wachstum, keinerlei Eigenheimerwohnmodell – und alles andere als sinnvolle oder gar geplante Entwicklung des ländlichen Lebens. Ich kann da einfach nur den Kopf schütteln. Glaubt wirklich irgendjemand, dass so was – außer einem satten Profit für den Investor – irgendjemandem etwas bringt? Fürs Dorf mit ziemlicher Sicherheit in spätestens 15 Jahren viel Leerstand – denn dann ist die Abschreibung ja durch …