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Musik am Mittwoch: Rollenwechsel

Dass es spannend ist, die Perspektive zu verändern, ist mir hinlänglich bekannt. Einen Musiker, den man seit Jahren in seiner „Rolle“ in einem Ensemble kennt, in einem ganz anderen Zusammenhang zu erleben, kann ein echtes Wow-Erlebnis sein. Ich kenne Nick als Bassist von Luz amoi – kürzlich hat er mich auf ein Konzert seines Chor-Projektes El-ChorAzòn aufmerksam gemacht. Da es praktischerweise bei mir ums Eck in der Pasinger Fabrik stattfand und ich noch eines meiner „Gemeinsame Event-Zeit“-Projekte offen hatte, sind meine alte Studienfreundin und ich gemeinsam „hingestiefelt“ – und haben uns überraschen lassen.

Was stellt man sich vor, wenn in der Beschreibung steht:

Neue, brandheiße Chor-Arrangements, darunter Highlights von Superstars wie Rihanna, Aerosmith, den Beach Boys, Manfred Mann‘s Earth Band, Lenny Kravitz, Bruce Springsteen, Nik Kershaw, den Foo Fighters u.v.m. lassen die Wagenhalle (zum 4. mal!) erbeben. Und das wieder mit reiner Stimmgewalt, ohne jegliche Mikrophone oder Verstärker! Dafür mit umso mehr stimmlicher Hingabe, mitreißenden Choreographien – und natürlich wieder begleitet vom PhilHaar-Munich-Rock-Orchestra, dem kleinen, aber feinen Orchester, das mal statt klassischen rockig-poppige Töne anspielen darf. Das Programm heißt eben ganz zu Recht „Heavy-unplugged Volume too!“

Keine Chance, das vorab einzuschätzen. Es ist, was es ist: es sind grandiose Arrangements, die mit einer Ausnahme Chorleiter Nick geschrieben hat. Es ist ein richtig großer Chor, der nicht immer stimmgewaltig daher kommt, was aber durchaus erst Harmonie entstehen lässt. Der Fokus liegt nicht immer auf den Stimmen, das PhilHaar-Munich-Rock-Orchestra hat nämlich eine ganz eigene Zusammensetzung: Streichquintett plus quasi Jazz-Combo mit doppeltem Schlagwerk, dazu drei Fagotte. Und ich war einfach nur verblüfft, was diese Kombination kann. Grandios: Again von Lenny Kravitz, Viva la Vida von Coldplay, Can`t stop von den RHCP … wobei: eigentlich hat es insgesamt einfach so was von gerockt.

Am meisten hat mich das Orchester überrascht: ich weiß jetzt, dass es ein Kontrafagott gibt – und witzigerweise kannte meine Begleitung den Musiker, die beiden gehen regelmäßig miteinander essen. So klein ist die Welt? Und noch nie hab ich einen Cellisten beobachtet, der sein Instument beseelter geschrummt hat. Hach, Musik ist was herrlich Schönes. Und sie schafft es, (mich) immer wieder zu überraschen.

Ton der Aufnahme ist nicht optimal, deshalb für alle im Münchner Umland –  schauts und hörts euch selbst an: El-ChorAzón. Ein Musiktipp.

Das erste Konzert

Für eine Patentante ist es nicht selbstverständlich, bei den markanten ersten Malen dabeizusein. Umso wertvoller wenn es zeitlich klappt. So bin ich gestern rechtzeitig zum Hausaufgaben machen bei den Münchner Patenkindern eingetroffen, habe erlebt, wie schwer Konzentration fällt, dass der Kopf mit harschen Worten zum Denken motiviert werden muss. Um dann mit dem Bus loszusausen und Mademoiselle rechtzeitig zur Generalprobe für ihr erstes Konzert zu bringen.

Die Wartezeit haben Monsieur, seine Mama und ich genutzt, um durch einen uns unbekannten Straßenzug zwischen Königsplatz und Stachus zu „stromern“. Um festzustellen, dass er gar nicht so fremd ist. Neu entdeckt haben wir das Innere von Sankt Bonifaz – und waren schwer beeindruckt von der Pforte: außen erklärende Worte zu Leben und Wirken des so viele Bistümer gründenden Märtyrers, innen ein geschnitztes Bild, Menschen, die sich verbinden, zusammen halten. Sehr beeindruckend. Danach waren wir auf einen wärmenden Stop im Parkcafe, mit Blick auf die Eisstockbahn im Biergarten, ja, das wäre auch nett gewesen, aber wir hatten ja was anderes vor …

Nämlich mit knapp 250 anderen den Werken der Neulinge bei den Jungen Chöre Münchens zu lauschen. Dass das Erlebnis an und für sich eine Studie wert wäre, muss ich nicht betonen. Manche Eltern so stolz, andere so ehrgeizig, jeder möchte seinen Nachwuchs fotografieren, filmen, die einen stehen dazu auf, die anderen sind davon genervt …. dazwischen die Lehrer, die so etwas so oft machen, trotzdem läuft es chaotisch, eine echte Konzertstimmung mit aufgeregten, müden, wuseligen, mehr oder minder konzentrierten Kindern eben.

Ich hatte, obwohl ganz hinten, Mademoiselle genau im Blick. Sie singt nach der dritten Probe konzentriert, achtet auf die Dirigentin, hat gute Einsätze und sehr viel Freude. Und kommt nach dem Konzert tief beseelt, ja, es macht ihr Spaß. Jetzt müssen alle gemeinsam entscheiden, ob sie weitermachen wird, denn das ist mit viel zeitlichem Aufwand und auch Kosten für die ganze Familie verbunden.

Nicht zu vergessen: Am meisten ist mir gestern ein kleiner Bruder aufgefallen, der mitgekommen war, um im Publikum einem größeren Geschwisterkind zuzuschauen. Na ja, nicht wirklich. Er hat von der ersten bis zur letzten Sekunde musikalisch mitgewirkt, auf seinem Platz dirigiert – und gar nicht mal schlecht. Im Gegenteil. Ja, da sind sie, mittendrin, viele kleine Talente. Und mal Eltern mit all ihren ehrgeizigen Plänen zur Förderung des eigenen Nachwuchs hin oder her: ein Kind, das mit Spaß Musik machen möchte, ist hier richtig.

Musik am Mittwoch: So soll es sein

Was für eine Überraschung- ein Mädchen wirft ein paar Münzen in den Hut eines Straßenmusikers. Was dann kommt bereitet mir Gänsehaut. So sollte es sein, einer fängt an, alle anderen stimmen ein. Ein Spruch lautet in etwa, wo man singt und musiziert, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen kennen keine Lieder. Die Musikerin in mir würde am liebsten mitsingen, zumindest möchte ich hier gerne begeistert klatschen. Sehr gelungen und eine wundervolle Idee!

Das mit dem Dankeschön

Freitag abend wurde gefeiert, ein 50jähriges Jubiläum an der Orgel. Viele offizielle Worte wurden da gesprochen, alle mit sehr viel Wertschätzung. Aber da sitz ich mittendrin und fühle, dass das längst noch nicht genug ist. Kennt ihr auch Menschen, die immer mehr geben, als sie annehmen können/wollen? Worte können die Dankbarkeit für alles, was dieser Mann für uns alle getan hat gar nicht ausdrücken.

Also: Dem Anlass entsprechend hat der Chor Händels Halleluja umgedichtet, das er in diesen 50 Jahren unzählige Male begleitet hat. Dutzende Aufnahmen hat er auf Kassetten zu Hause, alle beschriftet, aber unsortiert in einem großen, großen Schrank … Das wird aber nicht erwähnt. Weiß das vielleicht keiner? Dann werden Gedichte vorgelesen, selbst gedichtet und gereimt, versteht sich. Das eine, zu lang, das andere, zu kurz, beide kratzen nur an einem Teil der Geschichte. Das Dankeschön im Namen aller ist unterbrochen von vielen Lachern. Viele Worte, die irgendwie nicht den Kern treffen. Alles steckt so sehr in der Gegenwart fest. Die Musiker bringen Ständchen, untermalt von Kaffeehausmusik werden da aktuelle Erinnerungen, witzige Begebenheiten besungen. Supertoll gemacht, aber irgendwie wird es dem Anlass immer noch nicht gerecht. Der Jubilar merkt selbst, dass hier keiner mehr ist, der die 50 Jahre mit ihm zusammenfassen kann, also ergreift er das Wort. Und berichtet, vom Anfang, als er eingesprungen ist, für die erkrankte Organistin. Dass er seit 50 Jahren nur als Ersatz im Einsatz ist. Wie er sich das Orgelspielen angeeignet hat. Für welche Chorherren, Pfarrer und Dirigenten er schon tätig war. Wie sehr er sich über die vielen bekannten Gesichter freut, die seinetwegen gekommen sind, obwohl sie sonst kaum mehr zu sehen sind. Wie dankbar er für die Musik ist, die sein soziales Netzwerk war und ist. Die ihm so viel Spaß und Freude bereitet, sein Leben bereichert, ihm so viele wertvolle Begegnungen und Erlebnisse schenkt … Auf den Punkt. Dankeschön.

Schön war sie, die Feier, eine Reise in die Vergangenheit. In einen Musikerfreundeskreis, der sich in den letzten Jahren aus den Augen verliert. Aber auf den gemeinsamen Zeiten aufsetzen kann. Wir haben uns sogar vorher zum Proben getroffen, denn wir sind nicht mehr wöchentlich zusammen, müssen uns erst wieder aufeinander einhören, Sicherheit gewinnen, mit einer Ausnahme ist aktive Musik nicht mehr ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Und die wollten, obwohl es „nicht ganz perfekt“ war doch tatsächlich eine Zugabe …

Anders ist er geworden, „mein“ Chor. Immer noch viele von den alten Mitsängern, aber auch viele neue. Und die haben auch eine andere Art, zu singen. Als ich Mitglied in diesem Chor wurde, gab es einen begnadeten Dirigenten, selber Sänger durch und durch. Der viel erreichen wollte und ein Qualitätsniveau geschaffen hat. Und einen Organisten, der immer mehr gab, als er musste. Ja, anders, das ist das richtige Wort. Nicht mehr mein Chor, trotzdem konnte ich für einen Abend (besser eine lange, heiße Sommernacht) zurückkommen. Und mich entspannt zurücklehnen und wohlfühlen. Dafür von Herzen Dankeschön.