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Rockoper in München

Wenn mir eines nicht bewusst war, dass die Ballade „I Don’t Know How to Love Him“ aus „Jesus Christ Superstar“ stammt, umso größer war meine Gänsehaut, als die bezaubernde Maria Magdalena ihre Gefühle für Jesus besang. Jetzt hab ich genau dieses Stück selbst so oft gesungen und den Kontext wirklich immer anders interpretiert … Ja, ein Theaterbesuch kann lehrreich sein. Ich muss auch gestehen, dass ich Andrew Lloyd Webbers Musical-Welterfolg bislang nicht kannte. Der Leidensweg Christie also – Unterhaltungen im Foyer zufolge bin ich nicht die einzige, die gedanklich Vergleiche mit der Oberammergauer Passion anstellt. Kein Wunder, auch diese Inszenierung spielt mit der Macht des Bildes, beim Einzug nach Jerusalem tanzen die Jünger und sogar ein Kinderchor aus der Nachbarschaft rund um den Messias-Superstar, die Nacht auf dem Ölberg zeichnet ihn ganz allein mit all seinen Zweifeln. Erneut ein wahres Wunder, dass das Bühnenbild mit all seinen Facetten auf die vergleichsweise kleine Bühne des Deutschen Theaters passt. Musikalisch hat mich der Abend sehr an die donnernden Rockbands der wilden 70er erinnert, die Sänger beherrschen die lauten Töne ebenso wie leise Balladen. So kreischt Hauptdarsteller Glenn Carter die Händler sehr schrill aus dem Tempel, um ein paar Takte später sehr weich über seine Zweifel zu singen. Für seinen lang ausgehaltenen Ton gabs sogar Szenenapplaus …

Musikalisch haben mich „Everything’s Alright“ und „Could we start again please“ sehr beeindruckt, wunderschön, wie die Stimmen von Rebekah Lowings und vermutlich Carl Lindquist miteinander verschmelzen, auch der tiefe Bass von Steve Fortune als Hoherpriester Cajaphas hat mir richtig gut gefallen. Auch dem Orchester hat es hörbar Spaß gemacht, der Ton war mir nur passagenweise zu donnernd, also schlicht zu laut. Gesungen wird übrigens auf Englisch, eine Kurzzusammenfassung wird auf Deutsch eingeblendet, davon hab ich mich aber schnell gelöst. Denn was passiert ist ja bekannt.

Und dann sitz ich so auf meinem Platz und beobachte das Publikum um mich rum, scheint, als ob ganze Schulklassen da sind? Und muss doch schmunzeln und an meine eigene Teenagerzeit zurückdenken. Ja, in dem Alter hätte ich auch den am Coolsten gefunden, der die Wartezeit mit einem pinken Riesenkopfhörer an seinem auch etwas überdimensionierten Smartphone überbrückt. Und der in der Pause Fastfood für alle besorgen geht, obwohl ich mich auch im tadelnden „Ehrlich, das ist scheiße, hier jetzt essen, so. Wir essen nach der Vorstellung, klar?!!!“ wiedererkenne. Neben mir hat eine Dame im Großmutteralter diese Szene beobachtet und musste genauso in sich hineingrinsen. Schön, so ein Abend im Theatersaal, egal, wie alt man ist. 

Übrigens: die Rockoper läuft noch bis 24. April im Deutschen Theater. Am 18. April gibt es sogar Führungen hinter die Bühne.

Musik am Mittwoch: Schlaflied

Eine komische Woche ist das, nicht nur die Temperaturen wirbeln von einem Tag zum anderen. Montag 17 Grad Sonnenschein, gestern 3 Grad Schneefall. Aprilwetter? Frühlingsgefühle? Wolkenberge, Seelenstürme, Vollmond? Auch energetisch passiert viel, ich habe die letzten 3 Tage so viel Schönes erlebt, und dann gibts leider die ganz traurigen Momente: Nicht nur Peter Lustig, Begleiter meiner Kindheit und Jugend, ist in dieser Woche gestorben.

Die bezaubernde Nichte hat jetzt nur noch einen Opa … Für heute möchte ich Opa Wilhelm ein wunderschönes Lied mit auf seinen Weg in den ewigen Schlaf geben, auf dass er seinen Frieden findet, keinen anstrengenden Kampf mehr gegen seine Krankheit führen muss, Leichtigkeit in der Anderswelt findet.

Gestern abend beim wunderbaren Max Raabe gehört – und es hat mich, wie der ganze musikalische Abend, tief berührt.

The times they are a-changing

Gibts hier Bob Dylan Fans? Ich gehöre jetzt nicht so klassisch dazu. Mir gefallen manche seiner Werke, aber er stünde keinesfalls auf der Liste meiner bevorzugten Musiker. Und trotzdem hab ich vor ein paar Wochen fasziniert dem Backstage-Talk rund um „Den Mythos Bob Dylan“ gelauscht. Zugehört, wie ein Musiker, Regisseur und Komponist (und noch so vieles mehr in einer Person), ein Hauptdarsteller, ein Musikjournalist und ein Autor, vor allem aber Fan, wie sich also 4 Männer mit einem jeweils ganz unterschiedlichen Zugang über Leben, Werk und Interpretationen des „größten“ Singer-Songwriters ausgetauscht haben. Und ich gebe zu: Feuer gefangen, denn was da zur Show erzählt wurde, die nächste Woche München-Premiere feiert, das hat mich neugierig gemacht. 20 Songs, gar nicht mal die bekannten Dylan-Klassiker, an einem Abend. Und Darsteller Florian Hertweck, der alles andere als ein Musical-Sänger ist, auch gar nicht versucht, wie Bob Dylan zu klingen, sondern sich seinen eigenen Weg gesucht hat, die Stücke zu interpretieren. Die Kostproben waren richtig gut, deshalb werd ich nächste Woche eine Aufführung besuchen und mir selbst meine Meinung bilden. Wer noch Interesse hat: vom 29. Juli bis 2. August. Weitere Infos gibts hier.

Musik am Mittwoch: Chanson

Wer Chanson, Künstler wie Edith Piaf, Jacques Brel oder russische Komponisten liebt, wer gern einer schönen Stimme lauscht, wer es leidenschaftlich, jung und anders mag. Wer damit umgehen kann, dass ein Interpret, Sänger und Schauspieler auf der Bühne steht, der in die Rolle seiner Stücke schlüpft und dem nach mehr als gelungenen Interpretationen von Stücken von Charles Aznavour oder des kürzlich verstorbenen Charles Kalman Tränen über das Gesicht strömen, der einen kurzen Moment zögert, um in die Gegenwart und zu seinem Publikum zurückzukehren, dem möchte ich gerne einen jungen Sänger ans Herz legen. Mit seiner Soirée Franco Russe durfte ich ihn Sonntag im Silbersaal des Deutschen Theaters hören, sehen, fühlen. Und hab einen Ausnahme-Konzertabend erlebt. Vladimir Korneev singt, gestaltet, spielt – braucht Tempotaschentücher. Er lebt und reißt mit. Egal, in welcher Sprache. Es war ein Genuss, ihm zu lauschen, ihn zu beobachten, mit ihm im wunderbaren Silbersaal und Teil seines begeisterten Publikums zu sein. Er erregt, viele warten leidenschaftlich gespannt, ihm zu applaudieren – er genießt das, sein Lächeln ist bezaubernd.

Begleitet wird er von seinem Freund, dem Konzertpianisten Liviu Petcu, der nicht nur mit seinen Solostücken begeistert, sondern dem Musikabend durch kleine, ganz eigene Interpretationen besondere Noten verleiht. Zwischentöne, unerwartete Verläufe oder ein paar Takte der großen Weltmusik, die jede Musik zur ganz eigenen Version dieser beiden Künstler machen. Meine Herren, es war ein besonderer Abend, den ich sehr genossen habe. Ich hoffe auf ein Wiederhören, virtuelle Standing Ovations.

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