Schlagwort-Archive: chorprobe

Das mit dem Dankeschön

Freitag abend wurde gefeiert, ein 50jähriges Jubiläum an der Orgel. Viele offizielle Worte wurden da gesprochen, alle mit sehr viel Wertschätzung. Aber da sitz ich mittendrin und fühle, dass das längst noch nicht genug ist. Kennt ihr auch Menschen, die immer mehr geben, als sie annehmen können/wollen? Worte können die Dankbarkeit für alles, was dieser Mann für uns alle getan hat gar nicht ausdrücken.

Also: Dem Anlass entsprechend hat der Chor Händels Halleluja umgedichtet, das er in diesen 50 Jahren unzählige Male begleitet hat. Dutzende Aufnahmen hat er auf Kassetten zu Hause, alle beschriftet, aber unsortiert in einem großen, großen Schrank … Das wird aber nicht erwähnt. Weiß das vielleicht keiner? Dann werden Gedichte vorgelesen, selbst gedichtet und gereimt, versteht sich. Das eine, zu lang, das andere, zu kurz, beide kratzen nur an einem Teil der Geschichte. Das Dankeschön im Namen aller ist unterbrochen von vielen Lachern. Viele Worte, die irgendwie nicht den Kern treffen. Alles steckt so sehr in der Gegenwart fest. Die Musiker bringen Ständchen, untermalt von Kaffeehausmusik werden da aktuelle Erinnerungen, witzige Begebenheiten besungen. Supertoll gemacht, aber irgendwie wird es dem Anlass immer noch nicht gerecht. Der Jubilar merkt selbst, dass hier keiner mehr ist, der die 50 Jahre mit ihm zusammenfassen kann, also ergreift er das Wort. Und berichtet, vom Anfang, als er eingesprungen ist, für die erkrankte Organistin. Dass er seit 50 Jahren nur als Ersatz im Einsatz ist. Wie er sich das Orgelspielen angeeignet hat. Für welche Chorherren, Pfarrer und Dirigenten er schon tätig war. Wie sehr er sich über die vielen bekannten Gesichter freut, die seinetwegen gekommen sind, obwohl sie sonst kaum mehr zu sehen sind. Wie dankbar er für die Musik ist, die sein soziales Netzwerk war und ist. Die ihm so viel Spaß und Freude bereitet, sein Leben bereichert, ihm so viele wertvolle Begegnungen und Erlebnisse schenkt … Auf den Punkt. Dankeschön.

Schön war sie, die Feier, eine Reise in die Vergangenheit. In einen Musikerfreundeskreis, der sich in den letzten Jahren aus den Augen verliert. Aber auf den gemeinsamen Zeiten aufsetzen kann. Wir haben uns sogar vorher zum Proben getroffen, denn wir sind nicht mehr wöchentlich zusammen, müssen uns erst wieder aufeinander einhören, Sicherheit gewinnen, mit einer Ausnahme ist aktive Musik nicht mehr ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Und die wollten, obwohl es „nicht ganz perfekt“ war doch tatsächlich eine Zugabe …

Anders ist er geworden, „mein“ Chor. Immer noch viele von den alten Mitsängern, aber auch viele neue. Und die haben auch eine andere Art, zu singen. Als ich Mitglied in diesem Chor wurde, gab es einen begnadeten Dirigenten, selber Sänger durch und durch. Der viel erreichen wollte und ein Qualitätsniveau geschaffen hat. Und einen Organisten, der immer mehr gab, als er musste. Ja, anders, das ist das richtige Wort. Nicht mehr mein Chor, trotzdem konnte ich für einen Abend (besser eine lange, heiße Sommernacht) zurückkommen. Und mich entspannt zurücklehnen und wohlfühlen. Dafür von Herzen Dankeschön.

Lebenslinien

1995 und 1999, zwei Sommer meines Lebens. Zweimal zum Teil eines großen Ganzen werden, eines Theaterstücks, das als Nationalepos der Hallertau gilt. Menschen und ihre Eigenheiten kennenlernen, bekannt miteinander werden, sich vertraut machen. 

1995 meinte Franziska, lebenserfahren und weise, in unzähligen schönen, anregenden Gesprächen, dass der Mann, mit dem ich die letzten 7 Jahre verbracht hatte, sich bestimmt für mich freue, mir den Spaß und den Erfolg von ganzem Herzen gönne. Ich hab ihn gefragt – was das Ende unserer Beziehung eingeläutet hat. Sie war es auch, die mich immer wieder um Verständnis für die Extravaganz meines männlichen Gesangspartners gebeten hat, mich auf seine Unsicherheit im Umgang mit mir hingewiesen hat. Die ich immer noch für Arroganz halte, aber ich hab geschafft, durchzuhalten. Das und vieles mehr hab ich ihr zu verdanken, sie war mir über Jahre eine unaufdringliche, liebevolle Ratgeberin. Beeindruckt hat mich stets ihre Lebenslust, ihre gnadenlose Ehrlichkeit, sich selbst und anderen gegenüber. Die erste Krebsdiagnose hat sie, Kettenraucherin und Genusstrinkerin, angenommen und gesiegt. Die Folgediagnose hat sie erst optimistisch begonnen, sich aber schließlich gegen die Begleiterscheinungen der Chemotherapie entschieden. Für ein paar gute Wochen voll Leben. Dann leider …

Stefan, der begnadete Tenor, war 1999 einer von wenigen, die mich auf den Tod meiner Schwester angesprochen hat. Der sich getraut hat, mit viel Verständnis, wie ein väterlicher Freund. Wie oft hat er selbst sich vor dem Auftritt hinter der Bühne verkrochen, wollte allein mit seiner Nervosität sein. Wahrscheinlich hatte er gerade deshalb ein so feines Gespür für mein Verlangen nach Mittendrin sein? Das Leben spüren, er war selber keiner, der gerne im Mittelpunkt stehen wollte. Sein großes Solo im Stück täglich mit Zittern und Schwitzen verbunden. Wie oft könnte er nicht mal den aufmunternden Händedruck annehmen, es war ihm alles zu viel, sogar der Applaus. Über unseren Zusammenhalt als 4er-Gespann hat er immer wieder höchst anerkennend gesprochen, sich über unsere Freundschaft und Verbundenheit mitgefreut. Auch nach dem Fidel hat er immer gestrahlt, wenn wir aufgetaucht sind. Unvergessen die Kinder-Weihnachtsfeier 1999, wo er als Opa mit seinen Enkelkindern um die Wette gestrahlt hat. Und uns mit den speziellen geriffelten Pommes belohnt hat, die es nur bei ihm gab. Über die Jahre ist er nicht nur älter, sondern auch kränker geworden, hatte durch Diabetes starke Einschränkungen, konnte das Haus immer weniger verlassen. Wollte nicht mehr Leben.

Beide sind am selben Tag gestorben, zwei Beerdigungen in einer Woche, die ehemaligen Weggefährten kommen nicht nicht nur zur Chorprobe zusammen. Liebevolle Worte der Erinnerung an zwei besondere Menschen. Die beide zu früh gehen mussten.