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Lächeln

Lächeln ist der kürzeste Weg zwischen Menschen. Es weckt Sympathie, drückt Sympathie aus, kann eine Situation überbrücken, kann ein Auslöser sein, kann bewegen oder beenden. Manchmal ist ein Lächeln aber überhaupt kein echtes Lächeln, es wird als Mittel benutzt, es ist Mut machen, drückt Mitleid aus oder ersetzt ganz einfach ein Gespräch. Heute nachmittag auf der Beerdigung meines alten Chorfreundes Fritz habe ich viele Menschen angelächelt, anstatt etwas zu sagen. Denn sie und ich können nicht über den Verlust sprechen, ohne darüber nachzudenken, dass bald andere folgen werden. Das ist der Nachteil, wenn man einst als Kind im Chor angefangen hat. Viele waren damals mehr als doppelt so alt – und sind jetzt in einem Alter, in dem man „damit rechnen muss“. Deshalb ist Lächeln einfach, so viel einfacher, als zu thematisieren, dass niemals feststeht, ob wir uns so wie heute mehr oder weniger gesund und lebend Wiedersehen werden. Heute ist mir mal wieder wichtiger denn je, im hier und jetzt, im Augenblick zu leben. Und ich höre Musik, weil nichts Gefühle so gut ausdrücken könnte, wie eine Melodie. Zum Beispiel diese: Lass mi oamoi no d’Sunn aufgeh seng

Spruch zum Wochenende: Geliebt

Wenn man – mal wieder – ein Jahr alter wird gibt es Sprüche, manche, die gut passen, einige passen gar nicht mehr, manche könnten zur Zukunft passen, andere sind Vergangenheit. Ich habe einen gefunden, der zu meinem Augenblickszustand sooooo gut passt, dass ich ihn zum Spruch für dieses Wochenende deklarieren möchte:

„Alter schützt vor Liebe nicht, aber Liebe schützt bis zu einem gewissen Grad vor dem Altern.“
(Jeanne Moreau)

Ich für meinen Teil fühle mich sehr geliebt 🙂

An was man sich erinnert – und woran nicht

Kinder leben im Augenblick – warum soll ich jetzt schon mit Spielen aufhören? Gerade ist es toll! Warum soll ich jetzt schon ins Bett? ich bin noch gar nicht müde? Mir macht es keinen Spaß, mit der da oder dem da zu spielen – ich mach einfach was anderes. Eine herrliche Einstellung, wenn nur wir Erwachsenen nicht wären, die denken, alles regeln zu müssen. OK, manche Regeln sind gar nicht mal so daneben und ein paar davon müssen natürlich sein ….

Dennoch beneide ich euch Kids schon sehr, denn über vernünftig oder unvernünftig sein hab ich mir in meiner Kindheit wenig Gedanken gemacht. Dafür erinnere ich mich an tolle Nachmittage: eine ganze Bande von Kindern, quasi jeder aus dem Dorf, der laufen konnte, bis hin zu den älteren Jungs (die waren damals für mich irre alt, also 5 oder mehr Jahre älter, puh!). Wir haben Räuber und Gendarm gespielt, das ganze Dorf war unsere Spielwiese. Oder Volleyball im alten Schulhaus. Oder Fußball irgendwo auf einer Wiese. Oder ein Baumhaus gebaut (ok, Haus ist übertrieben: Bretter so zu einer Fläche zusammengefügt, dass es uns Fliegengewichte kurzzeitig getragen hat, das triffts besser). Vereinbarte Uhrzeiten zum Nachhausekommen waren immer schnell vergessen. Ich hab oft Ärger mit meiner Oma und meinen Eltern bekommen, vor allem mit der Oma, denn die hatte für solche Vergnügungen keinerlei Verständnis.

Je älter ich werde, desto mehr wünsche ich mir zurück, einfach nur im Hier und Jetzt zu sein. Nicht immer über „was wäre wenn“ zu grübeln, sondern einfach zu tun und zu erleben. Meistens kann ichs, aber nicht immer.

Warum ich darüber nachdenke? Kürzlich habe ich auf dem Fußmarsch zum Oktoberfest jemanden getroffen, eine Frau hatte mich angesprochen und nach dem Weg gefragt. Wir haben uns dann gegenseitig begleitet und kamen ins Plaudern. Ich hätte sie aus der Entfernung auf 50 geschätzt, tatsächlich erzählte sie mir, sie sei 75 Jahre alt, mache täglich Yoga und achte sehr auf ihre Gesundheit. Sie sei auf dem Weg zu einem Rendezvous, habe sich aber in der Nähe der Wiesn verabredet, für den Fall, dass das nix werde können sie schnell rüberwechseln und trotzdem Spaß haben. Ich musste schmunzeln. Dann hab ich etwas gejammert, schließlich war ich schon etwas erkältet, hatte leichte Halsschmerzen und wäre eigentlich gut schlafend im Bett aufgehoben gewesen. Sie schaute mich schmunzelnd von der Seite an und meinte: „Wenn ich nachdenke, ich erinnere mich an keine einzige Nacht, die ich schlafend in meinem Bett verbracht habe. Auch nicht daran, dass ich mich hinterher besser gefühlt hätte? Das Leben ist draußen, hier und jetzt! Man verpasst zu viel schlafend.“

Wie wahr? Ich hatte übrigens einen meiner schönsten Wiesn-Abende in diesem Jahr, die Halsschmerzen waren schnell vergessen, das Licht war irre, die Stimmung toll. Und ich war unterwegs, habe das Leben gespürt und werde mich daran wohl tatsächlich immer mal wieder erinnern. Wie an die lebendigen Tage meiner Kindheit – und sogar über den Krach mit Oma kann ich heute lächeln, das gehört auch dazu.

Warum besondere Augenblicke immer schnell vorbei sind

So ist das doch immer, vor allem, wenn man sich auf etwas riesig freut: der Tag, die Veranstaltung, die Urlaubswoche, endlich da – und schon wieder vorbei. Kaum, dass man alles so richtig mitbekommt? Ich kann mich erinnern, wie ich als Kind meinen Geburtstag über Wochen und Monate herbeigesehnt habe: alle Geschenke nur für mich. Ein Tag, an dem sich alles nur um mich dreht. Je älter ich wurde, desto mehr Vorfreude. Je mehr ich wusste, was mich alles an diesem einen besonderen Tag im Jahr erwartet, desto wow. Und schon war der Tag wieder rum – und die 365 Tage Vorfreude waren wieder da.

Der erste Schultag, kaum, dass ich mich daran erinnern kann. Aber die Aufregung, die Erwartung war riesengroß. Und der Tag hat in meiner Erinnerung nicht mal den Bruchteil einer Sekunde gedauert. Alles war irgendwie vorbei, bevor ich es richtig aufnehmen konnte. Und schon war es der zweite Schultag, der dritte – irgendwann habe ich aufgehört zu zählen. Dann der erste Schultag am Gymnasium: auch nicht mehr Zeit, schon waren 13 Jahre Schule rum. Wie nervös ich an meinem ersten Tag an der Uni war, schon wars Gewohnheit. Plötzlich auch wieder vorbei. Der allererste Arbeitstag, der erste Kuss, das erste Mal, das erste Date, der erste Urlaub, undsoweiter undsoweiter.

Dabei müssten besondere Tage oder Situationen, auf die man sich so lange freut, doch eigentlich wenigstens genauso lange dauern, wie die Vorfreude. Oder?

Mittlerweile habe ich gelernt, dass Vorfreude etwas ganz Besonderes ist: ich genieße die Vorfreude, die Aufregung, die Nervosität heute fast mehr, als den Tag selber. Der ist ohnehin schnell vorbei. Aber die Vorfreude kann tatsächlich 365 Tage im Jahr einnehmen. Immer wieder ein kleiner Gedanke, ein paar Minuten träumen, was alles passieren könnte. Jedes Mal malt man sich den besonderen Tag etwas anders aus, das eine Mal vielleicht gar nicht sehr realistisch, eher im Schnellvorlauf. Das nächste Mal mit vielen Wiederholungen von Einzelsequenzen. Wie schön ist Vorfreude – sie kann irre lang andauern. Wenn ich mich auf etwas wirklich aus ganzem Herzen freue, es herbeisehne, dann gibts eigentlich kaum eine Wirklichkeit, die meine Vorstellungen übertreffen kann.

Aber manchmal eben doch, und dafür ist es jede Sekunde Warten wert. Das Schönste ist nämlich, dass es durch diese klitzekleine Unsicherheit gar nicht mal mehr so schlimm ist, wenn man sich mal sehr lange vorgefreut hat und der Tag/das Erlebnis dann viel zu schnell wieder vorbei war: es gibt entweder ein nächstes Mal oder eine andere Gelegenheit, die für alles entschädigt.

Liebe kleine Schwester, ich hab mich sehr gefreut, heute morgen mit dir zu telefonieren 🙂 Jetzt weiß ich, dass du aktuell schwimmst wie ein Fisch, dir Schwimmen soooooo viel Spaß macht – manchmal muss man einfach nur telefonieren, um die kleinen Dinge mitzubekommen und sich daran zu freuen? Wie spannend dein Leben ist, ich denke, du freust dich schon ganz doll auf das nächste Mal Schwimmen? 🙂