Fingerspitzengefühl [*.txt]


Vielleicht kennt jemand das Gefühl: man spricht mit einem Menschen, möchte ihm helfen, gibt Anregungen, Tipps. Man hört zu, geht auf das, was gesagt wird, ein, beleuchtet die Blickwinkel, priorisiert, versucht, Struktur in das Gesagte zu bringen. Dem Ganzen einen Sinn zu geben. Und gemeinsam eine Lösung zu finden. Dann vereinbart man, wie weiter vorgegangen wird. Glaubt an einen gemeinsamen Weg.

Tage später beginnt das Ganze von vorne. Jedes Mal, wieder und wieder. Weil einer geglaubt hat, während der andere gar nicht „richtig“ zugehört hat. Niemals das Ganze im Blick hat, immer nur die eigene Sichtweise hat, wohl vor sich hin träumt. Denkt, dass das Karriere ist …

„Man“sagt mir Diplomatie nach, Geduld, Einfühlungsvermögen und oft zu viel Rücksichtnahme. In meiner Berufspraxis habe ich mich durch Fingerspitzengefühl ausgezeichnet, habe meine Mitarbeiter motiviert, diejenigen, die Schwierigkeiten hatten, „auf Spur gebracht“. Kam sowohl mit grenzenloser Selbstüberschätzung wie auch mit Schüchternheit, mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen klar. Soweit mein Weg bis 2016. Gerade scheitere ich, mein Fingerspitzengefühl reicht nicht aus, einen besonderen Individualisten, einen hoch- oder vielleicht eher hypersensiblen, vor allem aber hochaggressiven, lauten, unhöflichen, sturen, uneinsichtigen und extrem unproduktiven Menschen in irgendeine Richtung zu bewegen. Viel sinnlose Zeit, denn jedes Gespräch, jede Erklärung, jeder Versuch führt zu nichts. Außer zu Mehrarbeit. Für mich und die Kollegen.

Diese Woche war der Zeitpunkt erreicht, an dem ich diesem Menschen nach einem wirklich bösartig eskalierten Gespräch gerne einfach nur meine Hand, meine warmen Fingerspitzen aufgelegt hätte. Kein Mitleid mehr. Wärme und Energie statt Worte. Beruhigung statt Sturm. Ein Ende beginnen statt das Weitertoben zuzulassen. Ich brauche meine Energie, für mich und Menschen, die sie zu schätzen wissen. Schluss mit Verständnis. Punkt.

Das elfte Wort von Dominiks txt-Projekt lautet Fingerspitzengefühl.

16 Kommentare zu „Fingerspitzengefühl [*.txt]“

    1. Rebell, Troublemaker, brüllend, schreiend, keifend, hinterher motzend … dabei sehr unsicher und deshalb noch viel lauter und schriller als ich das ertragen kann. Wer mich kennt weiß, dass ich auch in kontroversen Diskussionen leise bleibe. Die Drahtseile, ja, die bräucht ich – und wie, danke dir, ganz liebe Grüße und komm gut ins Wochenende

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  1. Bei allem Mitgefühl, großartigem Einfühlungsvermögen und gutem Willen – solche Menschen entziehen einem mit der Zeit lebenswichtige Energien. Deshalb finde ich es gut, richtig, und vor allem sehr wichtig, dass du dich dieser Person nun entziehen willst.
    Liebe Grüße!

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    1. Danke fürs Bestärken, ich hab echt viel zu viel guten Willen und vor allem unendlich Zeit investiert – und es its einfach durchs Hirn durchgeblasen, ohne aufgenommen, geschweige denn durchdacht zu werden. Damit ist Schluss: seit Mittwoch bekommt sie nur noch Rückfragen zum Status. Und ich hoffe, dass sie es sich überlegt und auf unser Angebot einer einvernehmlichen Trennung eingeht. Liebe Grüße zu dir und komm gut ins erste Adventswochenende

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  2. Kluge Entscheidung! Menschen haben ein System nach dem sie funktionieren. Du funktionierst jetzt nicht mehr wie gehabt und dein Gegenüber muss sich ein neues System ausdenken. Und das könnte dann zu einem gemeinsamen Weg führen…vielleicht….

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    1. Ich denke, es wird wohl eher eine Kündigung – denn meine Chefin ist ordentlich genervt, von mir, weil ich mich jetzt auch offiziell beschwere, vor allem aber vom „Troublemaker“, der sich jetzt bereits wiederholt im Ton vergreift, was unserem meist recht harmonischen Betriebsklima merklich schadet 😉 Ganz liebe Grüße von Doris

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  3. Das mit dem Berühren die und Hand auflegen finde ich einen sehr schönen Gedanken. Wenn Worte nicht mehr helfen, oder das zum Ausdruck bringen können, was man möchte. Vielleicht sollte das jeder mal probieren. Liebe Grüße, Kerstin

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    1. Wir haben das von unserer Mama übernommen – als wir Kinder waren hat sie uns so beruhigt. Meine Schwester hat auch mal einen Reiki-Kurs belegt, und auch ich spüre oft, dass meine Hände eine gute Energie abgeben … Klar kann ich einen anderen Menschen nicht einfach anfassen, obwohl es vielleicht helfen würde? Hm – liebe Grüße, Doris

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